03 - Feuer der Liebe
Eindruck, als würde der Inder erstarren.
»Ist das ein schlechtes Zeichen?«
Ihre Blicke trafen sich.
»Nein!«, rief Quill.
Sudhakar neigte den Kopf. »Ich
bezweifle, dass sie es überleben wird. Diese Medizin ist ein starkes Gift. Das
habe ich ihr auch gesagt. Sie hat für einen Menschen ihrer Statur zu viel genommen
und dann ist sie zu schnell eingeschlafen.«
»Ich verstehe nicht«, sagte Quill
wie betäubt. »Was spielt das für eine Rolle?«
»Die Medizin besteht aus dem Gift
des Färberfrosches«, erklärte Sudhakar. »Dieser Frosch versetzt seine Opfer in
tiefen Schlaf, bevor er sie auffrisst. Der Schlaf endet für den Menschen stets
tödlich.«
»Dann wecken Sie sie auf?« Quill
schob Sudhakar beiseite und packte Gabby an den Schultern. Trotz Sudhakars
Protest schüttelte er sie — doch ihr Körper hing wie ein nasser Lappen in
seinen Armen und ihr Kopf rollte zur Seite.
»Geben Sie ihr etwas!«, befahl er.
»Ein Gegengift.«
»Es gibt kein Gegengift. Sie müssen
mit den Konsequenzen leben, so wie ich auch.«
»Warum haben Sie es ihr dann
gegeben?« Quill war außer sich. »Sie wussten doch, wie impulsiv sie ist. Sie
hätten ahnen müssen, dass sie es selber nehmen könnte!«
Sudhakar blickte ihn an. »Warum
sollte mir dieser Gedanke kommen? Ich sah nur eine junge Frau, die sich Sorgen
um ihren Mann machte und bereit war, ihre Ehe aufs Spiel zu setzen, um ihm
weiteres Leiden zu ersparen. Daran konnte ich nichts Selbstzerstörerisches
erkennen.«
»Sie hielt es für harmlos«,
flüsterte Quill rau. »Und sie hatte keine Ahnung. Sie hätten es ihr nicht geben
dürfen.«
»Halten Sie sie für ein Kind? Sie
ist eine erwachsene Frau und für ihre überstürzten Taten selbst
verantwortlich.«
Quill starrte ihn zornig an und
erkannte, dass Sudhakar ebenfalls litt. »Wir müssen etwas unternehmen«, sagte
er verzweifelt.
Sudhakar wandte sich ab. »Das
übersteigt meine Fähigkeiten«, presste er gequält hervor. »Ich habe in meinem
Leben zwei Kinder geliebt und nun wird Gabrielle Johore in den Tod folgen. Ich
habe bei beiden versagt.«
Quill blickte zu ihm hoch. »Sie
sagte mir, Sie seien ein Fachmann auf diesem Gebiet.«
»Aber es ist kein indisches Gift«,
sagte Sudhakar. »Wenn es ein Heilmittel gibt, dann kenne ich es nicht. Ich bin
ein dummer, alter Mann, der nicht in der Lage ist, diejenigen zu heilen, die er
liebt.«
Quill konnte sich mit Mühe davon
abhalten, dem alten Mann an die Kehle zu springen. »Denken Sie nach«, beharrte
er. »Warum sterben die Patienten? Gabby sieht aus, als würde sie nur schlafen.«
»Ich bin nicht sicher«, gestand
Sudhakar. »Sie überleben ein paar Tage, schlafen ohne Unterbrechung und wachen
nicht mehr auf. Ich habe es noch nie mit eigenen Augen gesehen, aber der Mann,
der mir das Gift gab, hat mich vor den Konsequenzen gewarnt. Man kann die
Patienten nicht einmal mit Aufputschmitteln wecken.«
»Schlaf ist doch nicht schädlich«,
wandte Quill unsicher ein. »Ein Mensch kann doch eine Woche lang schlafen, ohne
dass es ihm schadet.«
Sudhakar runzelte die Stirn. »Wenn
er Wasser bekommt ...« Er verstummte. »Vielleicht sterben die Patienten gar
nicht an dem Gift, sondern an Wassermangel.«
»Gut. Dann geben wir ihr Wasser.« Er
nahm das Glas, das neben dem Bett stand, und hielt ihren Kopf nach oben, doch
das Wasser lief ihr wieder aus dem Mund.
»Es hat keinen Sinn«, stöhnte
Sudhakar. »Sie kann nicht schlucken. Ich bin dazu verdammt, meinen Kindern beim
Sterben zuzusehen. Mein Johore starb unter Schmerzen, aber zumindest wird
Gabrielle friedlich einschlafen.«
Quill ignorierte ihn und versuchte
nachzudenken. Schließlich klingelte er und verlangte von Codswallop einen Löffel.
Als ihm der Butler das gewünschte Besteck brachte, hielt er Gabbys Kopf in die
Höhe und löffelte ihr Wasser in den Mund. Auch diesmal lief es ihr wieder aus
dem Mundwinkel. Er versuchte es immer wieder, bis ihr Nachtgewand völlig
durchnässt war.
Plötzlich spürte er eine Hand auf
der Schulter. Müde Augen begegneten seinem Blick. »Es hat keinen Zweck«, sagte
Sudhakar sanft. »Sie kann nicht schlucken.«
»Nein!«, schrie Quill barsch.
»Ich habe dasselbe gefühlt, als
Johores Zustand schlimmer wurde, bevor er starb. Wir waren isoliert — die
Menschen aus dem Dorf wollten aus Angst vor der Cholera nicht einmal bis zu
unserer Tür kommen. Aber nicht so Gabrielle. Sie kam aus dem großen Haus zu uns
und brachte mir eine englische Medizin. Sie interessierte sich
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