03 - Hinter dem Schleier der Tr��nen - Mein Abschied vom Harem der Frauen
bestraft worden: Der radikale Führer der Muslime hatte eine unserer Ältesten erschlagen.
Mama Ngozi hatte sich ihm in den Weg gestellt. Dann hatten die Männer mein Heilhaus angezündet, das ebenso wie die Heilstation erst wenige Monate zuvor aufgebaut worden war. Das Feuer hatte auf unsere Kapelle sowie die kleine Schule übergegriffen.
Tanisha hatten wir dennoch nicht verraten. Sie war bei uns geblieben und dankte unsere Hilfe, indem sie uns nun unterstützte. Charitys Verärgerung bewies, dass meine einstige Patientin nicht auf Dauer bleiben konnte.
„Haben wir dich mit Amaras Vorschlag, dass du Tanisha zu Ezira in den Regenwald mitnimmst, nicht etwas überfahren?“, fragte Mama Bisi. Ihr Blick war voller Verständnis und gleichzeitiger Sorge um meine Gesundheit.
„Nein“, sagte ich schnell, „ich habe doch schon begonnen, sie anzulernen.
Vielleicht kann sie wirklich meine Nachfolgerin werden.“
Amara hatte mich bereits vor einiger Zeit darauf aufmerksam gemacht, dass ich mein Wissen um die Heilkunde mit einer möglichen Nachfolgerin teilen müsse. Nur Bisis Tochter Efe hatte sich angeboten; sie wollte sich nützlich machen. Die Erinnerung daran war noch so frisch, dass ich glaubte, Efe könne jeden Augenblick zur Tür hereinkommen.
Ich traute mich kaum, Bisi ins Gesicht zu sehen. „Ich mache mir wegen Efe solche Vorwürfe! Ich habe ihren Husten doch gehört, aber nicht als Warnzeichen verstanden. Bis es zu spät gewesen war.“
„Du musst dich nicht rechtfertigen. Eine Heilerin ist auch nur ein Mensch aus Fleisch und Blut. Du kannst
nicht auslöschen, was schon lange im großen Buch Gottes festgeschrieben stand.“ Ihre warmen Augen blickten mich voll Mitgefühl an. „Ich weiß doch selbst, wie sehr du deine Schwester geliebt hast. Ihr habt eine so wunderbare gemeinsame Kindheit gehabt. An die schönen Zeiten musst du denken. Nicht an all das Schreckliche.“
Ich war zu aufgewühlt, um stillzuliegen. Ich wollte mich aufsetzen, um sie in die Arme zu schließen. Mama Bisi beugte sich zu mir herunter. „Ich habe dir nichts zu verzeihen“, flüsterte sie dicht an meinem Ohr. „Du bist mein letztes Kind. Um dich geht es. Denke endlich mal an dich! Dein Leben geht weiter.“
Meine kleine, rundliche Lieblingsmama war Mitte 60 und hatte schon viel mitgemacht. Ihr fiel es leichter als mir, die Wirrnisse des Augenblicks als etwas Vorübergehendes zu begreifen. „Du bist wie deine Mutter“, sagte sie und tippte auf ihr Herz. „Hier drin war bei ihr immer eine große Trauer.
Die wollte sie sich nicht eingestehen. Deshalb kam sie nie zur Ruhe. In dir sieht es viel schlimmer aus. Dein Herz droht zu zerbrechen. Es hat schon zu viele Schmerzen aushalten müssen.“ In ihrem müden Lächeln lag die Sorge, sich nicht an das Versprechen halten zu können, das sie meiner Mutter einst gegeben hatte: sich um mich zu kümmern.
So wie Bisi mein Halt war, erhofften sich meine Gefährtinnen von mir Beistand. Das war meine große Sorge. „Charity hat den Mund eben ganz schön voll genommen. Aber was ist, wenn sie nun Recht hat?“
Bisi schüttelte energisch den Kopf. „Recht? Womit? Charity sollte sich besser zurückhalten.“ Sie konnte ihre Gefühle nur mühsam beherrschen.
„Charity wollte immer nur versorgt werden. Das war schon im Harem so.
In schwierigen Zeiten werden Menschen wie sie hysterisch! Ada war dagegen gewesen, Charity hierher mitzunehmen. Ich hätte auf sie hören sollen. Ada ist nicht so sentimental wie ich, meine Kleine.“
Nachdem Mutter mir die Farm vererbt hatte, hatte ich völlig dem Urteil meiner Mamas vertraut: Sie hatten meine Schwestern ausgesucht, da ich mit keiner von ihnen zusammengelebt hatte. Als Witwen von Felix waren sie wie ich Frauen, die er ins Unglück gestürzt hatte. Das und der Kampf um eine neue Zukunft einte uns. Das hatte ich zumindest angenommen.
„Belaste dich nicht mit Charity. Mit der werden wir schon fertig werden“, sagte Bisi und blickte mich liebevoll an. „Freust du dich auf Ezira und den Regenwald?“
Unter anderen Umständen hätte ich das gewiss getan. Doch mich plagten die augenblicklichen Sorgen zu sehr, als dass ich an mein Wohlergehen denken konnte. Ich versuchte dennoch, optimistisch in die Zukunft zu sehen. Wegen meines Sohnes, dem es damals so gut in den Tropen gefallen hatte. „Für Josh wird es ein Abenteuer“, meinte ich.
„Und für euch beide eine Erholung“, sagte Bisi. Sie zwinkerte mir zu.
Dank Amaras Pflege kam ich wieder
Weitere Kostenlose Bücher