03 - Hinter dem Schleier der Tr��nen - Mein Abschied vom Harem der Frauen
beruhigt, ich werde hier auf deine Rückkehr warten und helfen, dass alles so schön wird wie zuvor.“
Wie zur Bestätigung fiel direkt neben uns eine verkohlte Wand in sich zusammen. Magdalena hakte mich wieder unter, um mich vor dem Staub in Sicherheit zu bringen. Sie führte mich zur Bougainvillea.
„Ich lasse dich jetzt allein“, sagte sie und ermahnte mich erneut, auf ihren Vorschlag zu hören.
Die Sonne stand schon hoch und wärmte mich. Die ausladend rankenden Bougainvilleabüsche waren bereits als Kind mein Zufluchtsort gewesen.
Inzwischen befanden sich dort vier Gräber, neben die ich mich setzte. In den knapp anderthalb Jahren, die unsere kleine Oase erst bestand, hatte es zu viele Tote gegeben.
Efe hatte nur neun Monate lang bei uns gelebt. Ihr Sohn Jo war wenige Tage nach seiner Ankunft gestorben. Es lag nicht an der mangelnden Wirksamkeit unseres Tees, dass ich den beiden nicht helfen konnte. Ob Mutter tatsächlich an Aids gestorben war, wurde nie festgestellt. Nach ihren Symptomen zu urteilen, konnte jedoch davon ausgegangen werden.
Alle drei waren viel zu jung gestorben. Meine Mutter mit 67, Efe mit 27
und Jo mit fünf.
Ich goss ausgerechnet die Blumen an Mama Ngozis Grab, als sich Tanisha scheu näherte. Ich hoffte, sie würde darin kein Zeichen sehen, dass ich sie für den Tod der alten Mama verantwortlich machte. Zu meiner Erleichterung setzte sie sich unkompliziert neben mich. Ich half ihr, Faraa aus dem Tuch auf ihrem Rücken zu heben, und wiegte das Baby sanft.
Das wenige Wochen alte Mädchen guckte mich aus runden Augen an. Die Kleine hatte inzwischen schon etwas an Gewicht zugenommen und sah sehr gesund aus. „Sie ist ein hübsches Kind“, sagte ich. „Ich kann nicht verstehen, dass man dich bestrafen will, weil du sie bekommen hast. Haben diese Männer denn kein Herz?“
Tanisha schlug die Augen nieder. Sie war eine große, sehr schlanke Frau, und mir fiel erst jetzt, wo sie sich einigermaßen erholt hatte, auf, wie hübsch sie eigentlich war. „Eine Frau muss tugendhaft sein und gehorchen.
So hat es mir mein Vater beigebracht“, sagte sie. Die Muslimin legte sich das schwarze Tuch, mit dem sie sich ihrer Tradition entsprechend verhüllte, enger um den Kopf. „Ich kann nicht ewig bei euch bleiben, das weiß ich.“
„Vor allem kannst du dich nicht auf Dauer verstecken.“
Tanisha fasste nach Faraas Händchen, das ihren Finger umschloss. In dieser zarten Geste der Vertrautheit zwischen Mutter und Kind lag gleichzeitig eine anrührende Hilflosigkeit. „Ich verstehe meistens nicht, was die anderen sagen. Aber ich glaube, dass einige der Frauen mich nicht wirklich mögen.“ Die junge Muslimin hatte Recht; meine Schwestern hatten sie aus christlicher Nächstenliebe aufgenommen. Die Verwicklungen, die danach entstanden waren, strapazierten diese Selbstlosigkeit in einem für sie kaum erträglichen Maß. „Wohin sollen wir gehen?“, fragte Tanisha ratlos.
Ich glaubte, die Ausweglosigkeit ihrer Situation wie einen körperlichen Schmerz zu empfinden. „Du bist nur fern der Heimat sicher. Dort, wo dich das Gesetz des Islam nicht erreicht“, antwortete ich. „Ich kenne einen Ort“, begann ich vorsichtig, „an dem dir nichts geschieht. Dort wurde ich von meiner Lehrerin Ezira zur Heilerin ausgebildet. Ich möchte mit Josh eine Zeit lang dorthin zurückkehren und habe mir gedacht, du könntest uns begleiten.“
Tanisha musterte mich verwundert. „Warum willst du denn fort?“
„Ich bin überarbeitet, Tanisha. Ich brauche mal eine Pause.“ Meine Antwort klang in meinen eigenen Ohren unerwartet plausibel .. Ich gestand mir ein, dass ich mich danach sehnte, eine Weile nichts tun und keinem Druck standhalten zu müssen.
„Ja, das verstehe ich.“ Sie blickte mich verunsichert an. „Was soll ich dort machen?“
Meine Finger glitten durch die verwelkten Blüten der Wunderblume, als ich so beiläufig wie möglich antwortete: „Ich habe dich ein wenig angelernt.
Du stellst dich sehr geschickt an, und ich hatte den Eindruck, dass es dir Spaß macht. Vielleicht könntest du auch Heilerin werden?“
„Ich? Eine Heilerin? Glaubst du denn, dass ich das kann? Ich bin doch nur deine Patientin!“
„Ich war einmal in einer ähnlichen Situation wie du, als dein Bruder dich zu unserer Farm gebracht hat“, erzählte ich. „Wie du war ich schwanger.
Amara nahm mich damals auf und brachte mich auf die Idee, zu lernen, was sie kann. Meine Geschichte kann dir Mut machen, es auch
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