03 - Keiner wie Wir
offensichtlich nicht, denn die schien die Taktik zu wechseln. Unerwartet veränderte sich sein Gesichtsausdruck von hart auf relativ milde.
Mist! Blödkuh hatte ihn erfolgreich eingewickelt.
Plötzlich klang Rogers samtweich. Er neigte den Kopf leicht zur Seite und fixierte dabei noch immer die arme Stevie, die sich mittlerweile denkbar unwohl fühlte.
»Sicher, es ist mir wie immer ein Vergnügen, Darling.«
Darling!
Schlimmer hätte es gar nicht kommen können!
Verzweifelt suchte sie nach einem Ausweg aus dieser peinlichen Situation. Okay, Stevie empfand sie jedenfalls blamabel, ihr Boss ja weniger. Der flirtete nämlich ungeniert weiter. Ein sanftes Lächeln lag auf seinen Lippen, der undurchdringliche Blick jedoch auf Stevie. »Nächsten Montag? Mit Vergnügen. Welche Uhrzeit?«
Hektisch sah sie sich im Raum um und strandete schließlich am Eingang, vor dem die geflieste Diele lag. Dunkel entsann Stevie sich, dort eine Tür mit der Aufschrift:
… gesehen zu haben.
Die Rettung!
Langsam, Schritt für Schritt, tastete sie sich zur Tür vor. Was sich nicht einfach gestaltete, denn dabei folgte er ihr mit den Augen. Die waren übrigens hellbraun mit einem selten gesehen Stich ins Ockerfarbene.
Egal welche Farbe auf jeden Fall schienen sie Röntgenfähigkeiten zu besitzen. Denn je länger Stevie von diesem unmöglichen Blick fixiert wurde, desto peinlicher wurde die gesamte Angelegenheit. Endlich spürte sie das kühle Metall des Türknaufs unter ihren Fingern und atmete auf. Mit einem entschuldigenden Lächeln wollte sie so lautlos wie möglich verschwinden, doch er hob eine Augenbraue und schüttelte kaum merklich den Kopf.
Nein? Was, nein?
Nein, sie sollte nicht gehen?
Nein, die Toilette war zwar für das Personal vorgesehen, aber für das andere, nicht für die Assistentin?
Was?
Ohne vielleicht mal etwas anderes zu betrachten, der Boden wäre doch eine echt tolle Alternative gewesen, lächelte er in den Hörer und deutete dabei mit dem Zeigefinger auf ihren Stuhl.
»Sicher hole ich dich ab, Baby.«
Baby …
Mühsam schluckte Stevie. Inzwischen zur Salzsäule erstarrt, die Hand auf dem Knauf.
Kurz darauf wurde der Zeigefinger abermals, jedoch bedeutend energischer, auf ihren Stuhl gerichtet.
Mist! Fehlinterpretation unmöglich!
Auf dem Weg zu ihrem Arbeitsplatz beschrieb Stevie einen großen Bogen um ihn und drückte sich schließlich in den Stuhl. Sofort kehrte das Lächeln zurück, Rogers nickte zufrieden und unterhielt sich dabei nach wie vor mit der arroganten Person namens Renata Mitchel.
Sein melodisches, verhaltenes Lachen ertönte. »Wofür hältst du mich? Selbstverständlich! Und ich hoffe, du nimmst dieses Cremefarbene ...«
Ehrlich!
Hastig senkte Stevie den Kopf. Nie zuvor war ihr eine Situation unangenehmer gewesen. Ihretwegen konnten die beiden veranstalten, was immer ihnen in den Sinn kam, aber sie musste es doch nicht unbedingt wissen, verdammt!
Mr. Rogers zeigte keine Gnade. Unverwandt lag sein intensiver Blick auf ihr, was ihr so langsam etwas auf die Nerven ging. Währenddessen plauderte er ungeniert mit dieser Renata, wobei die Unterhaltung mit jeder Sekunde persönlicher wurde.
Und als Stevie bereits der Überzeugung war, ein Spiegelei auf ihrem Gesicht braten zu können, beendete er das verdammte Gespräch. »Bye, Renata.«
Der Hörer lag kurz darauf auf der antiken Gabel, nur leider machte dieser Mann keine Anstalten, endlich aufzustehen. In der Zwischenzeit hatte Stevie wahllos eine der vielen Akten aus dem riesigen Berg vor sich extrahiert und sie einer näheren Betrachtung unterzogen. Gelbe Notizen hafteten auf einigen Seiten, jede mit irgendeiner niedlichen Anweisung versehen. Wie zum Beispiel:
Kürzen!
In Reinschrift übertragen!
Prüfen!
Was sollte sie denn prüfen?
Stevie hatte sich gerade gedanklich an dieser hoch brisanten Frage festgebissen, da wurde sie rüde unterbrochen.
»Warum haben Sie nichts gesagt?«
Es kam immer noch in diesem samtigen Hauchen, das Rogers eben bei dieser Renata verlauten lassen hatte. Wahrscheinlich brauchte er eine Weile, um wieder auf normal umzuschalten.
»Wie bitte?«
»Grundlage jedes erfolgreichen Arbeitens ist der zweckgemäße Umgang mit der vorhandenen Kommunikationstechnik«, wurde sie prompt belehrt. »Ganz besonders, da meine Sprechstunden zu annähernd siebzig Prozent telefonisch abgehalten werden. Sie sind mit der Funktionsweise des Gerätes nicht vertraut, weshalb unterließen Sie es, mich darüber in
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