03 - Keiner wie Wir
Kenntnis zu setzen?«
Ratlos betrachtete sie ihn, blickte mitten hinein in diese bemerkenswerten Augen, die sich ihr im Moment auch bemerkenswert nah befanden. Er machte ja keine Anstalten, sich mal von ihrem Tisch zu erheben.
Offenbar wartete er tatsächlich auf eine Antwort. Stevie räusperte sich. »Bevor ich etwas sagen konnte, war es zu spät.«
»Zu spät?«
»Es summte.«
»Summte?«
»Ja, es summte!«, seufzte Stevie. »Das tut es üblicherweise, wenn ein Anruf eingeht. Sie befanden sich in Ihrem Büro, ich konnte nicht fragen.«
Das überdachte er mit gespitzten Lippen, selbstverständlich, ohne sie aus den Augen zu lassen, was Stevie langsam, aber sicher tatsächlich zusetzte.
Und dann nickte er bedächtig. »Das klingt einleuchtend.«
Erleichtert atmete sie auf. »Ja ...«
Rogers lächelte, wobei es sich um dieses unnachahmliche Renata-das-Baby-ist-am-Apparat-und-wird-das- Cremefarbene -tragen-Lächeln handelte. Sein Blick jedoch blieb intensiv und lag immer noch auf ihr.
Was sollte das Theater?
»Nun, in diesem Fall sollte ich Sie wohl schleunigst in die Geheimnisse des edlen Gerätes einweihen, oder? Damit solche ‚Unfälle’ in Zukunft unterbleiben.«
Stevie zog es vor, nicht auf seinen gönnerhaften Ton einzugehen, aber eines stand doch wohl fest:
Hätte er sich die Mühe gemacht, sie an ihrem ersten Arbeitstag anständig einzuweisen, wäre es überhaupt nicht zu diesem Unfall gekommen, wie er das Desaster von eben so freundlich zu bezeichnen geruhte.
Demnach blieb sie der moralische Sieger und hatte sich nicht wirklich etwas zuschulden kommen lassen. Was sich zumindest für ihren Seelenfrieden, verdammt wichtig ausmachte. Denn Stevie hasste es, zu versagen.
Und zwar in jeder Lebenslage.
* * *
W as?
Sie hatte gemeint, zuvor wäre es etwas peinlich gewesen?
Ernsthaft?
Wie dämlich!
Das erkannte Stevie, nachdem weitere zwei Minuten ins Land gegangen waren.
Inzwischen befand sich Rogers inmitten eines langen, begeisterten und ausschweifenden Vortrages über das blöde, total veraltete Telefon.
Einschließlich praktischer Demonstration, denn währenddessen summte es mehrfach.
Offenbar besaß dieser Mr. Rogers absolut keine Berührungsängste. Und er schien lieber auf Tischen zu sitzen, anstatt wie jeder normale Mensch auf einem Stuhl. Der wäre nämlich durchaus vorhanden gewesen.
Vor Stevies Schreibtisch.
Rogers strafte das Sitzmöbel mit Nichtachtung, auch wenn er, um den Apparat zu erreichen, ständig um sie herumgreifen musste oder über Stevie hinweg.
Es brauchte keine drei Minuten, bis die ihren Kopf so tief zwischen den Schultern hielt, dass jeder Außenstehende eindeutig auf einen kurz bevorstehenden oder bereits stattfindenden Bombenangriff getippt hätte.
Mr. Rogers blieb nonchalant, erklärte und erzählte und all das in gleichbleibender sanfter und dennoch bestimmter Tonlage, während Stevie trotz ihrer gigantischen Verlegenheit versuchte, sich auch noch die Funktion jeder einzelnen Taste einzuprägen.
Selbstverständlich blieb sie chancenlos. Kein Mensch hätte sich in dieser Situation irgendetwas merken können.
Um der Wahrheit die Ehre zu geben, war sie so außer sich über das dämliche Benehmen ihres neuen Chefs, dass ihr erst nach einigen Minuten der Sinn dieses lächerlichen Manövers aufging.
Der Typ zog sie auf! Und wie!
Kaum hatte sie das begriffen, kehrte Stevies geliebtes Selbstbewusstsein zurück und sie sah auf. Direkt hinein in sein – zugegebenermaßen – sehr attraktives Gesicht und diesmal enttarnte sie sofort das versteckte Lächeln.
Tatsächlich! Sie wurde soeben auf die Probe gestellt!
Fein! Aber dafür hatte er sich die Falsche ausgesucht!
Vor genau vier Jahren hatte Stevie sich von allen männlichen Bekanntschaften, welcher Art auch immer, losgesagt. So etwas besaß in ihrem Leben keinen Platz mehr, seitdem sie sich urplötzlich als Vormund ihrer Schwester und ihrer so ziemlich lebensuntüchtigen Mutter wiedergefunden hatte. Ohne, dass jemand die Güte besaß, sie vorher zu fragen, ob sie den Job überhaupt wolle, nur mal nebenbei.
Mit Sicherheit würde sie sich wegen einer solchen Geschichte nicht in Schwierigkeiten bringen. Und wenn er noch so gut aussah, was er tat.
Michael Rogers war kein schöner Mann im eigentlichen Sinne. Dessen Züge fielen zu schmal, herb und ernst aus, als dass man ein derartiges Wort in seinem Zusammenhang verwenden konnte. Doch seiner Attraktivität tat das keinen Abbruch, es verstärkte sie sogar
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