03 - Keiner wie Wir
noch. Gerade die scheinbare Unnahbarkeit ließ diesen Mann, der um die fünfunddreißig sein mochte, so bestechend männlich erscheinen.
Das Hemd stand am Kragen offen, die Ärmel waren bis zum Ellenbogen hochgeschoben und die dunkle Tuchhose wurde von seinem Gürtel eher nachlässig daran gehindert, über die schmalen Hüften zu desertieren. Ein äußerst großer Mensch – Stevie mochte die hochgewachsenen Vertreter des männlichen Geschlechts.
Auf den ersten Blick dunkel, machte man bei näherem Hinsehen einige helle Strähnen in seinem Haar aus. Nicht weiß oder grau sondern hellblond. Seine Lippen waren schmal und scharf geschnitten, die Wangenknochen hoch und diese braunen, blitzenden Augen ...
Sehr – äh - ansehnlich, das räumte Stevie ja durchaus ein. Nur leider hatte sein männlicher Status für sie nicht die geringste Bedeutung. Ihr gesteigertes Interesse galt den eintausendfünfhundert Dollar, die sie hier zu verdienen beabsichtigte.
Jeden verdammten Monat, und zwar für sehr, sehr lange Zeit. Wenn daraus vielleicht eines Tages zweitausend wurden – weil sie verdammt gute Arbeit leistete und nicht, weil sie so kooperativ war! –, würde sie auch nicht böse darüber sein.
Bestimmt sah Mr. Rogers diese Dinge viel entspannter. Geldprobleme mussten für den ja auch ein Fremdwort sein, ganz klar. Warum nicht ein kleiner, unverbindlicher Flirt am Arbeitsplatz?
Und genau hier täuschte er sich in Stevie gewaltig. Viele Menschen taten das. Denn hinter deren argloser Fassade verbarg sie ein sehr strikter und äußerst konservativer Mensch.
Am vergangenen Wochenende hatte sie hinreichend Zeit, sich über die Gründe ihrer Einstellung Gedanken zu machen.
Wie sie es auch drehte und wendete: Berufliche Erfahrungen konnte sie nicht vorweisen. Abgesehen von ihrem Highschooldiplom und den Semesterbenotungen auch keine Zeugnisse. Es existierte kein Empfehlungsschreiben, niemand verbürgte sich für Stephanie Grace.
Stevie war bestimmt nicht selbstgefällig, doch sie kannte ihre Wirkung auf Männer und wusste, dass sie nicht hässlich war. Nahm sie die Fakten zusammen, brauchte sie nicht lange, um zu erkennen, dass ihr Aussehen auf jeden Fall als Entscheidungshilfe gedient hatte.
Damit konnte sie problemlos leben. Ansehen kostete ja nichts und zimperlich war Stevie auch noch nie gewesen.
Solange ihr ‚Mann‘ nicht zu nahe trat, bevor sie ihm die ausdrückliche Erlaubnis dafür eingeräumt hatte, durfte er sie anglotzen, solange er das wollte. Irgendwann wurde es ihnen zwangsläufig langweilig.
Das ausschließliche Ansehen versteht sich.
Alles darüber Hinausgehende war für Stevie aber gestrichen. Männer kosteten zu viel Zeit, zu viel Konzentration und lenkten viel, viel zu sehr ab. Und diesem Mann würde sie unter Garantie niemals irgendetwas gestatten.
Ihm als Letztes auf Erden.
Hierbei handelte es sich nämlich um ihren Chef, was die Dinge ein für alle Mal klärte. Nicht mehr und nicht weniger als das Überleben ihrer Familie hing von diesem Job ab. Was Stevie für ein unschlagbares Argument hielt und gleichzeitig das Ende aller Überlegungen in diese – total hirnrissige - Richtung.
Sie hätte wirklich nicht gedacht, dass es keine zwei Stunden dauern würde, bis sie sich damit auseinandersetzen musste. Der Mann ließ offenbar selten etwas anbrennen.
Fein, so konnte sie das wenigstens sofort klären.
Abrupt richtete sie sich auf und rückte deutlich erkennbar – zu deutlich, um nicht unhöflich zu wirken – von ihm ab. Dabei straffte sie sich, das Kinn ging in die Höhe und ihre Augen weiteten sich bedrohlich.
Unmissverständliche Abwehrpose.
Er hielt kaum merklich inne, das Ganze währte nur den Bruchteil einer Sekunde, entging Stevies Aufmerksamkeit jedoch keineswegs. Ebenso wenig wie das Aufblitzen seiner Augen.
Innerlich stöhnte sie auf.
Wunderbar! Jetzt fühlte er sich auch noch herausgefordert. Und so, wie sie diesen Mann seit Neuestem einschätzte, nahm der das Kriegsangebot nur allzu bereitwillig an.
Klasse!
Womit ja genau das erreicht war, was nun als Letztes in ihrer Absicht gelegen hatte …
* * *
D och mit dieser Einschätzung lag Stevie falsch.
Gleichbleibend freundlich und bestimmt wurde sie kurz darauf, als das Telefon mal wieder summte, aufgefordert, den Hörer abzunehmen und den Anruf ins Chefbüro durchzustellen.
Versuch Numero zwei geriet zu einem Desaster auf ganzer Linie. Aber Rogers zeigte nicht die geringste Ungeduld oder gar Ärger, sondern wartete auf das
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