030 - Hexensabbat
er schob die Kapuze zurück. Der Graf war abstoßend häßlich. Sein Gesicht war durch zwei Narben entstellt; eine verlief über die Stirn, die zweite zog sich von Mundwinkel zu Mundwinkel und weiter bis zum Nasenrücken hoch. Das Erschreckendste war das rechte Auge: ein wachteleigroßes, weißes Ding. Behemoth stimmte in Toths Beschwörungen mit ein.
Coco wand sich auf dem Stuhl. Es war ihr, als würden in Sekundenabständen Stromstöße durch ihren Körper gejagt, die immer stärker wurden. Die Glaskugel pulsierte. Sie sah aus wie ein heftig schlagendes Herz. Langsam änderte sie die Farbe und wurde größer.
Coco verstand nur Bruchstücke der Beschwörungen. Sie hatte es schon lange aufgegeben, sich gegen die unheimliche Ausstrahlung, die von der Kugel ausging, zu wehren. Es war ihr unmöglich, aus dem magischen Kreis zu entkommen; der Zauber war zu mächtig. Sie nahm nur undeutlich wahr, was um sie herum vorging. Nach einigen Minuten füllte sich der Keller mit den unheimlichen, halbdurchsichtigen Spukgestalten, die sie in den vergangenen Tagen verfolgt hatten. Es wurden immer mehr. Sie hielten sich im Hintergrund und bewegten sich nicht.
Für einige Augenblicke wurde Coco bewußtlos. Als sie erwachte, war es dunkel im Keller. Schmerzen hatte sie keine mehr. Sie fühlte sich leicht wie eine Feder und glaubte in der Luft zu schweben.
Die Luft geriet in Bewegung. Vor Cocos Augen flimmerte es, und dann materialisierte sich eine Gestalt. Zuerst war sie nur ein verwaschener, großer Fleck, der sich ausdehnte, aber allmählich waren immer mehr Einzelheiten zu erkennen. Die Gestalt schwebte über dem Tisch und wandte Coco den Rücken zu. Langsam drehte sie sich um.
»Vater«, sagte Coco leise.
»Ja, ich bin es«, sagte Michael Zamis und starrte seine Tochter an. »Asmodi hat sein Versprechen gehalten.«
Coco wunderte sich, daß sie sprechen und sich bewegen konnte. Fasziniert sah sie ihren Vater an. Michael Zamis war eine imponierende Gestalt: groß, breitschultrig, mit dem Körper eines durchtrainierten Athleten und dem Kopf eines Filmstars aus der Stummfilmzeit.
»Hör mir gut zu, Coco«, sagte die Erscheinung. »Ich habe dich aus der Familie verstoßen, weil du dich meinen Befehlen widersetzt und Dorian Hunter zugewandt hast. Ich habe dich verflucht. Diesen Fluch nehme ich jetzt zurück. Du bist das letzte Mitglied der Familie Zamis, und ich will nicht, daß unsere Sippe ausstirbt.« Michael Zamis wandte den Blick von seiner Tochter ab und sah sich zufrieden im Keller um. »Hier sind alle versammelt, die in irgendeiner Form eine Rolle in deinem Leben gespielt haben, Coco. Sie alle sind tot. Doch einer aus ihrer Mitte wird auferstehen und dich töten, wenn du meinen letzten Wunsch nicht erfüllst. Heute ist Vollmond, Coco. Du hast vier Wochen Zeit, meinen Wunsch zu akzeptieren. Wenn du ihn nicht erfüllst, stirbst du. Hast du das verstanden?«
Coco nickte.
Der Geist schwieg einige Sekunden. Seine dunklen Augen waren starr auf Coco gerichtet. »Du warst immer eine Außenseiterin in unserer Familie, doch in deinen Adern rinnt Schwarzes Blut, dem du dich nie ganz wirst entziehen können. Du hast schon als Kind Schande und Spott über unsere Familie gebracht. Du wirst den Namen unserer Familie reinwaschen. Ich habe einen Dämon für dich bestimmt, den du heiraten wirst.«
»Ich denke nicht daran«, zischte sie.
»Schweig!« schrie ihr Vater. »Du wirst Graf Cyrano von Behemoth zum Mann nehmen.«
Für einen Augenblick war Coco völlig überrascht, dann lachte sie hysterisch.
»Sei still!« tobte ihr Vater. »Du hast meinen Wunsch gehört. Durch diese Verbindung wird der Name unserer Familie reingewaschen. Und es ist auch deine Chance, wieder in die Schwarze Familie aufgenommen zu werden.«
»Das kommt nicht in Frage«, sagte sie und stand auf. »Ich will nicht in die Schwarze Familie aufgenommen werden. Ich …«
»Halt den Mund, Tochter!« sagte Michael Zamis. »Du bleibst bis zum nächsten Vollmond bei Skarabäus Toth, der als Schiedsrichter fungieren wird. Solltest du dich weigern, die Gemahlin des Grafen Cyrano von Behemoth zu werden, dann wird eine bestimmte Person aus dem Grabe auferstehen und dich töten. Diese Person befindet sich hier im Raum. Es ist jemand, der in deinem Leben eine wichtige Rolle gespielt hat. Wer es ist, das sage ich dir nicht.«
»Ich weigere mich, deinen Wunsch zu erfüllen«, keuchte Coco. »Ich will hier heraus! Ich werde …«
»Du hast mich verstanden, Coco. Entweder du
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