0300 - Die Messermörder von Manhattan
leere und eine halb volle Flasche.
Einer der Becher trug deutliche Spuren von Lippenstift, ebenso ein Zigarettenstummel im Aschenbecher.
»Ich bitte um Verzeihung, Señores«, sagte er mit weit ausholender Handbewegung, »aber ich hatte Besuch.«
Dabei räumte er mit einer Geschwindigkeit, die den Fachmann verriet, den ganzen Ramsch beiseite.
»Darf ich den Herren etwas anbieten?«
Wir dankten höflichst und kamen zu Sache.
»Was war heute Nacht in Ihrem Lokal los?«
Centro machte ein verwundertes Gesicht und meinte:
»Was soll schon los gewesen sein? Eine ganze Menge, wie immer. Ich habe eine der besten Bars im Village.«
»Sie missverstehen uns. Wir meinen etwas ganz anderes«, sagte ich.
»Dann müssen Sie mir schon sagen, wovon ich Ihnen erzählen soll.«
Im gleichen Augenblick polterte etwas im Nebenzimmer.
Centro fuhr herum, er wollte aufspringen, aber da war es bereits passiert.
Ein Mädchen lugte durch den Türspalt. Nur sein blonder Wuschelkopf und ein Gesicht mit verschmierter Wimperntusche und ebenso verschmiertem Lippenstift waren zu sehen.
»Fernando, ich habe einen grausamen Durst. Hast du etwas zu trinken?«
»Gleich, Liebling«, sagte er hastig, sprang auf, lief dorthin, wo ich die Küche vermutete, und kam mit einem Glas Wasser zurück.
Eine Hand mit langen, brandrot lackierten Nägeln kam im Türspalt zum Vorschein, griff nach dem Glas und verschwand wieder.
»Ihre Gattin?«, fragte Phil mit todernstem Gesicht.
»Meine Cousine! Sie ist auf Besuch hier«, erklärte der Mexikaner ungerührt.
Ich beschloss, die Sache kurz zu machen.
»Ziehen Sie sich an, Mister Centro, und begleiten Sie uns zu Ihrem Lokal. Wir möchten einen Bück hineinwerfen.«
»Es wird dort nicht sehr schön aussehen«, grinste er. »Die Putzfrauen kommen erst heute Mittag.«
»Umso besser.«
Der Barbesitzer verschwand.
Wir hörten eine leise, aber lebhafte Unterhaltung, von der wir leider nichts verstehen konnten. Und dann kam er nach unglaublich kurzer Zeit rasiert, frisiert und angezogen zurück.
***
In der Cuba Bar stank es noch abscheulich nach altem Zigarettenrauch, Schnaps, Schweiß und Parfüm.
Zwar waren die Tische abgeräumt, aber auf der Theke standen Batterien leerer Flaschen und schmutzige Gläser aller Art.
Wir sahen uns nur flüchtig um und steuerten dann auf die hinteren Räume zu.
Die Küche war unaufgeräumt und alles andere als appetitlich.
Dann kamen wir in den Gang, der zu der Hintertür führte.
Dieser Gang war sauber. Man hätte glauben können, er sei erst kürzlich aufgewischt worden.
»Öffnen Sie die Tür, Mister Centro.«
Er tat das, und genau vor dieser Tür waren auf dem Boden ein paar Bluttropfen zu sehen, der Beginn der Spur, die quer über den Hof in das andere Haus führte, in dem der Tote gefunden worden war.
»Wissen Sie, was das ist?«, fragte ich.
Centro bückte sich, zog die Brauen zusammen und sagte: »Es sieht wie Farbe aus.«
»Spielen Sie uns kein Theater vor. Es ist nicht Farbe, sondern Blut. Heute Nacht wurde ein Mann ermordet und zwar in Ihrem Lokal. Er wurde quer über den Hof in das Haus Bank Street Nummer 78 geschleift und dort unter die Treppe gelegt.«
»Aber hören Sie, G-man, wie kommen Sie auf diese absurde Idee?«
»Die Idee ist alles andere als absurd. Die Blutspur von dem Fundort der Leiche führt bis vor Ihre Tür. Natürlich befand sich die Spur auch hier in diesem Gang, aber sie wurde weggewischt, und darum ist dieser Gang nicht schmutzig, im Gegensatz zu allen anderen Räumen hier. Sie müssen davon wissen, und ich rate Ihnen dringend, uns die Wahrheit zu sagen. Das Zurückhalten von Beweismitteln wird in einem Mordfall schwer bestraft.«
»Ich kann Ihnen wirklich nichts sagen. Ich weiß von nichts. Ich habe überhaupt keine Ahnung, wovon Sie reden«, schnatterte der Mexikaner aufgeregt und wurde blass.
Er log.
»Gehen wir hinein. Sie haben doch sicher so etwas wie ein Office?«
»Gewiss, Señores. Bitte kommen Sie.«
Das Büro von Centro war klein, aber gut eingerichtet.
Auf dem Schreibtisch war ein heilloses Durcheinander: Rechnungen, Briefe und Geschäftsbücher.
»So und jetzt sind wir unter uns. Ich verspreche Ihnen, dass nichts von dem, was Sie uns sagen, an die Öffentlichkeit dringt«, sagte ich. »Ich bin davon überzeugt, dass Sie den Mann nicht ermordet haben, aber dass er in Ihrem Lokal umgebracht wurde, steht fest.«
»Ich sagte Ihnen schon, Señor, dass ich keine Ahnung habe, wovon Sie überhaupt reden«,
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