0304 - Maskenball der Monster
die Mahnsteins die letzten Gäste, denn in den Sesseln oder Sofas hockten bereits die anderen Paare.
Maskiert wie sie.
An der Decke hingen drei Spotlights. Ihre Lichtkegel vereinigten sich auf dem Boden zu einem hellen Kreis.
Das Zentrum.
Da hinein trat der Gastgeber.
Baron von Tirano!
Konnte man seine Gäste schon als außergewöhnlich bezeichnen, so wurde dieser Ausdruck durch die Maskierung des Barons ad absurdum geführt. Er war der Gastgeber, der Star, der King.
Ein König der Untoten – ein Vampir!
Die Mahnsteins wußten genau, daß das Haar des Barons im Laufe der Jahre grau geworden war. Dies traf nicht mehr zu. Er hatte es schwarz färben lassen, und nur noch an den Geheimratsecken schimmerten hellgraue Streifen.
Ganz in Schwarz war er gekleidet. Dabei trug er keinen normalen dunklen Straßenanzug, sondern eine Jacke, die bis zu den Hüften reichte und dicht unter dem Kinn geschlossen war. Dort befand sich auch die hellere Kordel, die die beiden Hälften seines ebenfalls schwarzen Mantels zusammenhielt. Dieses Kleidungsstück besaß einen hohen Schalkragen, der im Innern mit rotviolett schillernder Seide gefüttert war. Das gleiche Innenfutter besaß auch der lange Umhang. Es war besonders gut zu sehen, wenn er auseinanderfächerte, dann schien die leichte Seide regelrecht zu knistern.
Sein Gesicht war zu einem Lächeln verzogen. Dabei konnte niemand sagen, ob dieses Lächeln böse oder freundlich war. Die Augenbrauen hatten sich ebenfalls bewegt, sie waren aufeinander zugerutscht und berührten sich fast mit ihren Spitzen dicht über der Nase. Unter den geschwungenen schwarzen Bögen lagen die Augen in tiefen Höhlen, wobei die Pupillen wie schwarze Knöpfe wirkten.
Der Mund war breit. Keine schmalen, sondern ziemlich dicke Lippen, schon bald wulstig zu nennen, bildeten ihn. Der Baron hatte ihn geöffnet, so daß jeder die weiße Zahnreihe mit den beiden spitzen Hauern rechts und links im Oberkiefer erkennen konnte.
Gerda schaute nur auf diese Zähne. Sie erschauderte, und auch der Blick dieses Mannes war ihr unheimlich.
Der Baron sah aus wie ein echter Vampir.
Die Frau spürte, daß sie zu schwitzen anfing. Es war nicht allein die Wärme in der Halle, die sich dafür verantwortlich zeigte, sondern auch die gesamte Situation. Das abwartende, fast lauernde Schweigen der übrigen Gäste, die geschliffenen Blicke und das Taxieren ihres Körpers.
Gerda fühlte sich nackt, obwohl sie angezogen war.
Etwas rieselte ihren Rücken hinab. Ein kalter Schauder. Sie mußte sich tatsächlich zusammenreißen. Am liebsten hätte sie kehrtgemacht und wäre davongelaufen.
Baron von Tirano kam näher. Beide Arme streckte er aus. Dabei präsentierte er seine Hände.
Sie waren seltsam. Eigentlich hätten die Finger mehr zu einer Frau als zu einem Mann gepaßt. Sehr lang, zudem dünn und mit Nägeln versehen, die schon an kleine Messerspitzen erinnerten.
Ihrem Mann schien dies nichts auszumachen, denn sie vernahm sein leises Lachen.
»Die Letzten werden die Ersten sein«, sagte der Baron. »Nichts desto trotz. Herzlich willkommen in meinem bescheidenen Heim. Ich freue mich außerordentlich, Sie hier zu sehen!«
Gerda hörte die Worte und nahm sie überhaupt nicht zur Kenntnis, denn ihr war etwas anderes aufgefallen.
Der Baron stand im Zentrum der drei Spotlights und hätte normalerweise, wie es jeder Mensch tat, einen Schatten werfen müssen.
Dies war nicht der Fall.
Ein Mann ohne Schatten!
Darüber dachte die Frau nach, ohne allerdings zu einer Lösung zu kommen, denn sie wußte einfach zu wenig über das Leben der Blutsauger und deren finstere Existenz.
Für Manfred Mahnstein hatte der Baron keinen Blick. Seine Augen richteten sich auf Gerda, und sie spürte den fordernden Blick wie eine Berührung.
Eigentlich hätte sie wegrennen wollen, statt dessen stand sie auf dem Fleck und versteifte sich.
Ein menschlicher Eisklumpen. So und nicht anders kam sich die Frau vor, als sie dem Vampir entgegenstarrte.
War er echt oder nicht?
Nein, es gab keine echten Vampire. Zudem hatte man sie zu einem Maskenball eingeladen, da war jeder Gast verkleidet, auch der Totenschädel auf ihrem Kopf war nicht echt, sondern eine sehr gut nachgebaute Imitation.
»Wollen Sie mich nicht begrüßen, Gerda?« fragte der Baron und wartete lächelnd auf eine Antwort.
»Ja, ich…«
»Gerda!« Es war die Stimme ihres Mannes, die sie aus der Lethargie riß. Sie atmete tief ein. Dabei entstand ein saugendes Geräusch.
Der
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