0304 - Maskenball der Monster
Der schwarze Mercedes glitt ruhig wie auf Schienen durch die Nacht.
Die einsame Straße schien dieser düsteren Karosse aus Metall und Glas allein zu gehören. Nur die hellen Scheinwerfer stachen aus dem breiten, aggressiv wirkenden Kühlergrill und waren somit die einzige Lichtquelle.
Hinter dem Steuer saß ein Mann in Livree. Er war Fahrer, Diener und Vertrauter des Mannes, der im Fond des Wagens hinter den abgedunkelten Scheiben hockte und in der Finsternis verschwand.
Daß er nicht allein war, sah man nicht. Der schmale Frauenkörper wurde ebenfalls von der Dunkelheit verschluckt, denn das Licht der Armaturenbeleuchtung reichte nur bis zum Fahrer.
Eine Hand schob sich aus dem Dunkel des Fonds. Sie gehörte dem Mann, und die Finger wurden von einem schneeweißen Handschuh bedeckt. Ein unsichtbares Gummi schien die Hand weiter vorzuziehen, als sie ihr Ziel, die Rückenlehne des Vordersitzes erreichte, darüber hinwegkroch und auf der Schulter des Fahrers zur Ruhe kam.
»Etwas langsamer!«
Eine rauhe Stimme begleitete die letzte Bewegung der Finger, und der Mann in Livree wußte genau, was er seinem Chef Mahnstein schuldig war. Sofort ging er mit der Geschwindigkeit herunter.
Die Hand verschwand.
Big Boß Mahnstein, wie er von seinen Mitarbeitern genannt wurde, lehnte sich zurück. Er haßte es, wenn gerast wurde. Gerade in dieser Jahreszeit durfte man dem Wetter nicht trauen. Die Nässe auf den Straßen konnte schnell frieren und dann sah es böse aus.
Die breiten Reifen schmatzten über den feuchten Asphalt. Das Fernlicht leuchtete grell auf die Straße, strich an den Bäumen vorbei und riß hin und wieder, wenn der Wagen in eine Kurve gelenkt wurde, breite Wiesenstücke aus der Finsternis.
Big Boß Mahnstein griff zu einer Flasche. Es war bester Champagner, die Flasche bekam man nicht unter 100 DM. Klapptisch, Kühlbox, ein kleiner TV-Apparat, das alles war im Fond vorhanden.
Mahnstein hatte ihn entsprechend umbauen lassen und fühlte sich wie in seinem Wohnzimmer.
Er schaltete nicht einmal die Leselampe ein, ihm reichte eine schmale Punktleuchte, deren Lichtstrahl haargenau auf den kleinen Tisch gerichtet war und das Kristall der beiden schmalen Sektgläser auffunkeln ließ.
»Du doch auch, nicht?« Mahnstein sprach seine Frau aus dem Dunkel an.
»Ja bitte.«
Der Mann öffnete die Flasche. Die behandschuhte Rechte drehte am Verschluß, und schon schoß der Korken in die Höhe.
Er schenkte ein.
Der teure Champagner perlte in die Gläser, schäumte über und hinterließ seine Spur an den Außenrändern der Gläser. Mahnstein nahm eines und reichte es seiner Frau.
»Bitte, Gerda!«
Wieder erschien eine Hand. Diesmal schmaler. Auch nicht in einem Handschuh steckend. Dafür beringt. Einige tausend Mark waren die Steine schon wert, die an drei Fingern steckten und im Licht der kleinen Punktleuchte glänzten.
»Auf uns«, sagte die Frau.
Mahnstein beugte sich ein wenig zur Seite, damit sich die beiden Gläser berühren konnten. Als sie gegeneinander stießen, gab es einen hellen Klang.
Dann tranken sie.
Mahnstein leerte sein Glas in einem langen Zug. Die Frau trank nur die Hälfte, bevor sie die schmale Tulpe neben die ihres Mannes auf den kleinen Klapptisch stellte.
In den nächsten Minuten schwiegen sie.
Der Fahrer sagte ebenfalls kein Wort. Er redete nur, wenn es äußerst dringend war oder er gefragt wurde. Diesmal wollte keiner etwas von ihm, so hielt er auch den Mund.
»Wie lange wird es dauern?« Gerda Mahnstein hatte die Frage gestellt.
Eine konkrete Antwort konnte sie von ihrem Mann nicht bekommen.
Er hob die Schultern und gab ungefähr Bescheid. »Vielleicht noch zehn oder fünfzehn Minuten.«
»Und dann?«
Mahnstein lachte. »Sei doch nicht dumm, Gerda. Du wirst sehen, daß es etwas Besonderes ist.«
»Hör zu, Manfred, du weißt genau, wie wenig ich den Karneval mag. Das weißt du, das habe ich dir immer gesagt…« Ihre Stimme klang schrill. »Ich will einfach diesen dummen Trubel nicht mitmachen. Ich finde es lächerlich, daß wir Toten …«
»Sei still!«
Big Boß Mahnstein hatte seine Stimmlage nur ein wenig erhoben, aber sie reichte aus, um Gerda verstummen zu lassen. Diese Frau kam gegen ihren Ehemann nicht an. Er bestimmte, er hatte schon immer bestimmt.
Und das, obwohl seine Gedanken immer ins Extreme gingen.
Privat ebenso wie geschäftlich. Es war nicht einfach, mit ihm verheiratet zu sein. Was er sich heute wieder ausgedacht hatte, konnte sie nicht als Scherz
Weitere Kostenlose Bücher