031 - Die Mörderpuppen der Madame Wong
Schlüssel für Iwans Zimmer an sich. Dann
betrat er einen der drei nebeneinander angeordneten Aufzüge und ließ sich nach
oben fahren. Er verließ den Lift zunächst im dritten Stockwerk, ging in sein
Zimmer, machte sich im Bad frisch, rasierte sich und zog sich um.
Anschließend stieg er ein Stockwerk höher. Die
Zimmerflucht der vierten Etage dehnte sich vor ihm aus. Breite Fenster, mit dem
Blick zum Hafen, der Flur mit einem prachtvollen Läufer ausgelegt, der gut
seine vierzig Meter lang war. An den Wänden hingen Werke alter chinesischer und
japanischer Meister.
Unbemerkt schloss er die Tür auf, betrat den Raum und
drückte sie wieder leise hinter sich ins Schloss. Das Zimmer machte einen
unbenutzten Eindruck.
Aber dann erblickte er etwas, das neu war.
Larry griff nach einer kleinen Stoffpuppe, die auf dem
Kissen saß, das in der Ecke der dick gepolsterten Couch lag. Sie war ungefähr
zwanzig Zentimeter groß, mit weichen Gliedern und einem ovalen, vollkommen
glatten Kopf, der mehr an ein Stoffei erinnerte. Mund, Nase und Augen besaß die
Puppe nicht.
X-RAY-3 konnte sich nicht daran erinnern, dieses
merkwürdige, primitive Ding, das in dieser Form in die Hand eines zweijährigen
Kindes gehört hätte, bei seinem ersten Besuch bemerkt zu haben. Hatte er sie
übersehen?
Er konnte im Zimmer nichts Verdächtiges feststellen.
Gerade als er wieder zur Tür ging, hörte er Schritte draußen auf dem Gang.
Jemand blieb unmittelbar vor Iwan Kunaritschews Raum stehen. Larry suchte
instinktiv ein Versteck.
Im ersten Moment schien der unbekannte Eindringling
zurückzuschrecken, weil die Tür schon aufgeschlossen war, und er zog sie sofort
wieder ins Schloss zurück. Larry sprang auf die Tür zu und riss sie auf. Er sah
gerade noch, wie eine dunkel gekleidete Gestalt um die Flurecke verschwand,
beschleunigte seinen Lauf, kam aber trotzdem zu spät. Ein Lift rauschte in die
Tiefe, Larry benutzte die Treppe. Im zweiten Stockwerk erkannte er, dass man
ihn an der Nase herumgeführt hatte. Der Lift war nicht unten angekommen,
sondern nur ein Stockwerk nach unten geglitten und dann sofort wieder nach oben
gesteuert worden.
Er lief den Weg zurück. Jemand schien genau zu wissen,
was hier gespielt wurde und kannte auch die Verbindung zwischen ihm und dem
Russen! Unter diesen Umständen war die Vorsichtsmaßnahme von X-RAY-1 kein
hundertprozentiger Erfolg mehr.
Der Chef der PSA hatte verhindern wollen, dass man auf
Grund des auffälligen Ringes, den seine Agenten trugen, eine Verbindung
zwischen Iwan Kunaritschew und Larry Brent feststellen konnte. Der letzte
Bericht seines Agenten X-RAY-3 hatte ihn dazu veranlasst. Larry wäre der Ring
während seines letzten Abenteuers in Frankreich beinahe zum Schicksal geworden.
Er hatte dort nach dem Agenten Mike Burton gesucht und ihn unter mysteriösen
Umständen aufgespürt.
X-RAY-1 wollte eine ähnliche Situation verhindern. Bei
dem Computerentscheid in der Zentrale der PSA in New York war zum Ausdruck
gekommen, dass es besser wäre, wenn Iwan bei seinem bevorstehenden Einsatz auf
den Ring verzichtete. Durch eine besondere Behandlung, die von einem
Spezialisten der PSA vorgenommen worden war, hatte man ihm den Ring abnehmen
können.
Der Russe hatte nun keine Möglichkeit mehr, eine direkte
Mitteilung in die Staaten zu senden. Er war ganz auf sich allein gestellt.
Larry betrat erneut das Zimmer seines Freundes – und
traute kaum seinen Augen.
Die Puppe! Sie saß auf dem Kissen.
In ihrem Herzen steckte eine Nadel.
●
Larry Brent rannte in sein Zimmer.
Als erstes versuchte er, den Geschäftsführer des Hotels
zu erreichen. Das erwies sich als unmöglich, denn der war erst ab acht Uhr im
Haus. So lange wollte Larry nicht warten. Die Zeit drängte.
Er verließ das Hotel.
Ein Taxi brachte ihn zur Zentralstelle eines
Taxiunternehmens. Larry hatte Glück. Es war das Unternehmen, dessen Chauffeur
letzte Nacht den Russen gefahren hatte, und er konnte sofort den Chef sprechen.
Als er die Wagennummer erwähnte, blickte der Chinese
erstaunt auf. »25-6768?«, wiederholte er. Das Erstaunen in seiner Stimme und
Miene war deutlich zu erkennen. »Der Fahrer des Wagens war Fa Heng. Er hätte
sich spätestens heute um sechs Uhr morgens hier zum Schichtwechsel melden
müssen. Aber er ist nicht gekommen. Warum fragen Sie nach ihm? Wissen Sie
vielleicht etwas? Wir suchen nach dem Wagen. Alle Polizeidienststellen sind
unterrichtet ...«
»Nein, es ist nichts«, sagte Larry einfach.
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