031 - Die Mörderpuppen der Madame Wong
ihm einen letzten Blick, drehte
sich um und ging.
Jho Fung stand erst reglos hinter der Theke, dann griffen
seine fahrigen Hände nach dem Umschlag und rissen ihn auf. Eine Karte steckte
darin, mit kleinen, chinesischen Schriftzeichen bedruckt.
Auch Sie sind herzlich eingeladen, zur Eröffnung meines neuen Geschäftslokals
am 7. Mai an einem Maskenfest teilzunehmen. Madame Wong. Puppenmacherin.
●
»Su Hang.« Larrys Freude war nicht zu überhören, als er
diesen Namen flüsterte. Er erhob sich und ging ihr entgegen.
»Larry?« Ungläubig starrte sie ihn an. »Sie hier in
Hongkong? Das darf nicht wahr sein.«
»Aber es ist wahr. Ich hatte vor, Sie zu überraschen.
Mein Einsatz in Hongkong erfolgte sehr kurzfristig.«
Er geleitete sie an seinen Tisch.
Die Augen der kleinen Chinesin leuchteten. Larry fand,
dass sich die hübsche Privatdetektivin nicht verändert hatte. Sie war noch
genauso frisch und natürlich wie damals. Und ebenso hübsch und verlockend.
Larry musste sich eingestehen, dass die reizende Chinesin einen besonderen Reiz
auf ihn ausübte.
Doch er wollte erst einmal berichten, weshalb er im
Augenblick hier war und beschränkte sich auf das Notwendigste, ohne dass Su
Hang es bemerkte.
Dennoch wurde der jungen Chinesin klar, dass der
Amerikaner für die nächsten Tage kaum eine Stunde für sie erübrigen konnte. Sie
seufzte, während sie die Teetasse auf den Tisch zurückstellte. »Und ich habe
schon gedacht, ich könnte Sie in den nächsten Tagen für mich beanspruchen. Das
letzte Mal hatten Sie schon kaum Zeit. Und ausgerechnet morgen beginnt das
Cheung Chau-Fest.«
»Cheung Chau-Fest? Was ist das?«
»Es gibt hier im Jahr zahlreiche Festivals – große und
kleine. Die Festlichkeiten werden durch den Mondkalender bestimmt. Dieses Jahr
findet das Fest am 7. Mai statt. Auf der Insel selben Namens. Das Fest bringt
den Dank an die Götter für den im vergangenen Jahr erhaltenen Segen zum
Ausdruck. Höhepunkt ist der Massenangriff auf riesige Berge von Semmeln, die
zuvor von den Bewohnern der Insel errichtet worden sind. Derjenige, der ein
Brötchen erwischt, kann sicher sein, dass das neue Jahr für ihn sehr glücklich
sein wird. Es ist ein sehr farbenprächtiges Vergnügen, Larry. Es gibt nichts
Vergleichbares in der Welt. Chinesische Feste haben ihren eigenen Reiz, ihre
ureigene Grundstimmung. Krachende Feuerwerkskörper und Gongschläge, farbenfreudige
Kostüme, riesige Drachen, die durch die Stadt ziehen, Blumengirlanden schmücken
die Straßen.« Sie wurde des Aufzählens nicht müde.
»Sie machen es mir schwer, Su«, erwiderte Larry. »Ich
bekomme direkt Lust zum Feiern. Aber vorerst geht meine Arbeit vor.« Er wurde
wieder ernst, als er von Iwan Kunaritschew berichtete, ohne ihn namentlich zu
erwähnen. »Ich muss ihn finden, er ist seit der letzten Nacht überfällig.« Er
sprach auch kurz von der Puppe, die er bei der Durchsuchung des Zimmers seines
Freundes aufgefunden hatte.
Larry sah, wie sich Sus Gesicht verfinsterte. »Welche
Puppe?«, fragte sie rau. Ihre Stimme hatte sich merkwürdig verändert.
Der PSA-Agent beschrieb sie ihr. »Als ich das zweite Mal
in das Zimmer zurückkam, fand ich sie verändert vor«, und erwähnte die Nadel in
der Brust der Puppe.
Su schluckte. Die Farbe war aus ihrem Gesicht gewichen.
»Sie werden es für puren Unsinn halten, Larry«, sagte sie leise. »Aber diese
Puppen haben eine besondere Bedeutung. Wir bezeichnen sie als Finsternis- oder Totenpuppen.
Wo sie auftauchen verschwinden die Menschen. Manche werden auch nur krank,
andere sterben, es kommt darauf an, wie die Puppe gestaltet ist. Unsinn? Nein,
Larry! Es gibt Dinge, die wir niemals ergründen können. Es gibt heute noch
Leute, die fest daran glauben, dass man die Identität einer Person mit einer
verhexten Puppe gleichsetzen kann. Puppen, die einen persönlichen Gegenstand
jener Person berühren, der man Unheil, Krankheit oder Tod wünscht, dienen als
Bindeglied zwischen diesen Unglücklichen.«
Larry presste die Lippen aufeinander. Er wusste aus
eigener Erfahrung, dass man gewisse Dinge nicht einfach ablehnen sollte, ohne
ihnen auf den Grund gegangen zu sein. »Wissen Sie noch mehr darüber, Su?«
Die Chinesin schüttelte den Kopf. »Ich kann Ihnen nur
eines sagen: Lassen Sie sich nicht mit den Mächten ein, die offensichtlich hier
am Werke sind. Es besteht tödliche Gefahr für Sie, Larry. Ich müsste die Puppe,
die Sie im Zimmer Ihres Freundes fanden,
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