031 - Die Mörderpuppen der Madame Wong
einmal aus der Nähe sehen, dann ...«
»Was ist dann?«
»Wir werden sehen. Vielleicht bringe ich Sie danach zu
einer alten Frau, in einem Dorf oben in den New
Territories . Sie ist als Magierin verschrien. Solche absonderlichen Leute
sind manchmal, wie in Ihrem Falle, sehr nützlich. Nehmen Sie das, was bisher
geschehen ist, auf keinen Fall auf die leichte Schulter.«
Davon war der Amerikaner weit entfernt. Immerhin gab es
eine Anzahl Agenten, die auf rätselhafte Weise verschwunden waren. Zu ihnen
gehörte jetzt auch sein bester Freund Iwan Kunaritschew.
Larry war länger in der Imbissstube geblieben, als er
beabsichtigt hatte. Die unerwartete Begegnung mit der jungen Chinesin hatte
seinen Zeitplan etwas verschoben. Er war damit einverstanden, dass sie ihn zum
Hotel begleitete. Ihr Wagen stand eine Straßenecke weiter.
Da sie in der Nähe der Yung-Ping Road waren, bat Larry,
an der Straßenecke abgesetzt zu werden. Vor seiner Rückkehr ins Hotel wollte er
auf keinen Fall versäumen, ein Treffen mit Jho Fung zu vereinbaren. Vielleicht
zeigte sich dann eine weitere Spur, die sich zu verfolgen lohnte.
Er betrat das Geschäft des Wäschereibesitzers. Aus dem
angrenzenden Nebenzimmer kam eine Frau – einfach gekleidet und ungeschminkt.
Sie sah älter aus, als sie tatsächlich war.
»Guten Tag«, sagte Larry. »Ich hätte gern Herrn Fung
gesprochen.«
»Oh, das tut mir leid, mein Herr. Mein Mann ist im
Augenblick nicht da. Er ist geschäftlich unterwegs. In einer Stunde dürfte er
wieder zurück sein.« Sie hielt seinem Blick nicht stand. »Darf ich ihm etwas
ausrichten?«
»Sagen Sie ihm, dass Mr. Garvin da war. Ich komme dann
später noch einmal vorbei.« Für einen Augenblick war es, als würde im Raum über
dem Geschäft ein Stuhl gerückt. Dann herrschte sofort wieder Stille.
Unwillkürlich hob Larry Brent den Blick, doch er sagte nichts.
Gedankenversunken kehrte er zu Sus Auto zurück. Die
Chinesin startete sofort, und der Motor schnurrte leise wie ein Uhrwerk.
In Hongkong herrschte reger Betrieb. Lange Autoschlangen
wälzten sich durch die Straßen, gekonnt schlängelten sich die Rikschafahrer
durch die entstehenden Lücken zwischen Autos und Bussen, kamen oft schneller
voran als ein motorgetriebenes Fahrzeug. Der Strom der Fußgänger war
beachtlich. Er staute sich manchmal vor den Zebrastreifen und Warenhäusern,
deren riesige Glasportale offenstanden, die Massen aufnahmen und wieder
ausspien.
Aufmerksam beobachtete Larry den Verkehr, die Menschen,
ihr Leben und Treiben, und Sus erklärende Worte rundeten das Bild ab.
»Ein Einkaufsbummel kann zu einem regelrechten Abenteuer
werden.« Sie erzählte von den abseits gelegenen Antiquitätengeschäften, von den
schmalen Treppengassen des rein chinesischen Stadtteils in Kowloon, wo die
Gegensätze noch stärker zum Ausdruck kamen als hier in Hongkong. Gekonnt
erzählte Su einige amüsante Abenteuer.
Sie kamen während der nächsten Viertelstunde nur im
Schritttempo voran. Als sie die nächste Straßenkreuzung erreichten, erkannten
sie, weshalb der Verkehr so zäh weiterfloss.
Direkt an der Straßenecke herrschte ein buntes Treiben.
Larry hatte im ersten Augenblick den Eindruck, als würde ein Karnevalszug
vorbeiziehen. Die Straße war über vier Häuserblocks hinweg mit Blumengirlanden
geschmückt. Maskierte Kinder und Jugendliche sprangen auf der Straße herum. Sie
waren einheitlich in dunkelgrüne Röcke oder Hosen gekleidet, trugen weiße, mit
chinesischen Schriftzeichen versehene Hemden und Blusen, die in Hüfthöhe von
grellroten Schärpen zusammengehalten wurden, und schwenkten bunte Luftballons
und lange, bunte Luftschlangen.
Knallfrösche explodierten auf der Straße. Lachend
spritzten die Schaulustigen auseinander. Gongschläge hallten durch die
Häuserreihen. Autos blieben stehen, weil immer wieder Maskierte auf die Straße
sprangen und kleine, handgearbeitete Gegenstände verschenkten.
Das Geschäft an der Straßenecke war neu eröffnet worden.
»In Hongkong wird alles zu einem Fest«, erklärte Su. »Wir
Chinesen verstehen es, zu feiern. Selbst diese simple Geschäftseröffnung wird
zu einem Festival en miniature.« Sie musste ihren Wagen an den Straßenrand
steuern. »Vorerst sitzen wir fest. Wir müssen abwarten, bis ein Polizist kommt
und den Verkehr regelt, oder bis sich die verrückte Gesellschaft da draußen
entschließt, den Bürgersteig und die Straße freizugeben.«
Unter den Zuschauern, die sich wie eine Traube auf
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