0312 - Mumienfluch
Etwas begann sich zu regen…
»Um Allahs und der Propheten Willen! Laß dich abbringen von dem Plan, ausgerechnet dieses Grab öffnen zu wollen!« stieß Muhmad ibn Sakir hervor. »Es ist verflucht. Hast du vergessen, daß vor einiger Zeit der gefräßige Tod aus ihm hervordrang? Nur dieser fremde Effendi aus Frankreich konnte sie damals besiegen. Und danach wurde das Grab vermauert und wieder so hergerichtet, daß jeder annehmen muß, daß sich hier eine Mauer befindet!« [1]
»Jener Professor Zamorra, der ein großer Vernichter aller Dschinns und Sheitanii, aller Geister und Teufel sein soll, hat auch behauptet, daß diese Wesen aus den Schlünden der Dschehenne, der Hölle, endgültig vernichtet sind!« gab Manach al Barsan zu bedenken. »Wer weiß, was sich für Schätze im hinteren Teil der Grabkammer verbergen, die er dort vielleicht so lange verbergen will, bis die Suche nach dem Grabe des Generals Setnacht aus der Zeit der Pharaonin Hetschepsuth abgebrochen wird und niemand vom ägyptischen Museum von Kairo mehr hier herumschnüffelt. Doch wir werden uns nicht ins Bockshorn jagen lassen und vorher nachsehen!«
»Er hätte damals alles, was von Wert war, mitnehmen können!« gab Muhmad zu bedenken. »Seine beiden Freunde hätten ihm sicher geholfen. Der große mit dem sandfarbenen Haar und jener schlanke Junge im Gewände eines einfachen Mannes der das Geld eines Sultans besaß!«
»Diesem Sultan gehört die Firma, die hier immer noch nach verschollenen Gräbern sucht!« sagte Manach al Barsan. »Sein Name steht öfter in den Zeitungen. Carsten Möbius heißt der Ungläubige und der Mann, dem eure Frauen und Töchter immer nachstarren, heißt Michael Ullich. Sie haben für morgen im Winterpalace-Hotel von Luxor Zimmer gebucht und sind also mal wieder hier, um die Grabungen zu überprüfen. Deshalb habe ich zur Eile gedrängt. Wenn sie heimlich ihre Arbeiter in der Nacht mitnehmen und hierherkommen, dann können sie ebenfalls das Grab ausräumen und die Schätze mitnehmen. Darum müssen wir schneller sein!«
»Wir sind Ägypter. Die Schätze, für die unsere Vorfahren geschuftet haben, gehören uns!« knurrte eine Stimme aus dem Dunkel. Die sieben Männer aus dem Dorf Kurna auf der linken Seite des Nil hatten schon oft heimlich unbekannte Gräber geplündert und wertlose Grabbeigaben oder Teile von Mumien an die Touristen verkauft. Denn von den wenigen Piastern, die man als Fremdenführer verdiente, konnte man die Familie nicht gut durchbringen.
Grabräuberei zählte nach ihrer Moralvorstellung nicht zu den fluchwürdigen Vergehen. Immerhin waren die Mumien ja nicht die sterblichen Überreste von gläubigen Muselmanen, sondern von Heiden und Götzendienern. Nur reich waren sie noch nicht damit geworden.
Heute jedoch wollten sie das Wagnis ihres Lebens eingehen.
Was immer hinter dieser Wand auf sie wartete, es würde ihnen gehören.
Sie ahnten nicht, daß hinter dieser Wand, die Carsten Möbius mit Zamorra und Michael Ullich errichtete und die er verputzte und mit Hieroglyphen übermalte, der Tod hauste.
Der Tod in Gestalt einer Mumie, die seit dreieinhalb Tausend Jahren tot sein sollte. Doch unheilige Kräfte hatten ihr seelenloses Leben eingehaucht.
Amun-Re, der mächtige Zauberer des versunkenen Atlantis, hatte sie einst in den Tagen des Pharao Ramses mit dem »Ring des Nibelungen« berührt. [2] Sie konnte nicht sterben und überdauerte die Zeiten bis zum heutigen Tage.
Nun war die Stunde gekommen, daß frevelnde Hände sich der Mauer näherten, die den Leichnam des Nefru von der Welt der Lebendigen abhielt…
***
»Vorwärts, Männer!« herrschte Manach al Barsan die Grabräuber an. »Die Uhr hat gerade die Mitternacht überschritten. Wir müssen uns eilen bei unserem Tun. Auch wenn wir hier etwas abseits vom Tal der Könige bei den Gräbern des Edlen sind, mag es doch geschehen, daß die Patrouillien der Wächter hierherkommen, Und die sind bewaffnet, haben scharfe Hunde und fackeln nicht lange. Nehmt eure Spitzhacken und schlagt die Mauer ein.«
»Ich flehe dich an, Manach. Laß ab von diesem Frevel!« versuchte ihn Muhmad ibn Sakir noch einmal zurückzuhalten. Doch der Anführer der Grabräuber spürte, daß er sich jetzt behaupten mußte. Er stieß den Warner rüde zurück, daß er aus dem Grabe taumelte und sich auf dem Felsboden vor dem Eingang zur Grabkammer einige Male überschlug und liegen blieb.
So sah er nicht, wie das Grauen über Manach al Barsan hereinbrach.
Der Anführer
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