032 - Die magische Seuche
hat.“
„Das werden wir nie ahnen“, sagte Leon. „Was wir als sicher annehmen können, ist, daß es ihm gelungen war, mit Wesen aus einem übergeordneten Universum Kontakt aufzunehmen. Das, was für uns Katastrophen sind, bedeutet für diese Wesen vermutlich nichts als Versuche, Experimente. Was mir aber sicher scheint, ist die Tatsache, daß der Kontakt dieser Wesen mit uns nur über die Person des Professors möglich ist. Aus wissenschaftlichem Interesse hat er sich auf eine für ihn unbekannte Straße begeben. Er wußte vor seinem Tod nicht, was auf ihn wartete, und er wußte auch nicht, was die Zeit nach seinem Tod für uns, die Lebenden, bringen würde.
Wir haben noch eine Möglichkeit: Scheelrings Grab zu zerstören. Er selbst verlangt es, und wir werden niemals wissen, warum. Aber wir müssen es tun.“
Ich selbst hatte daran gedacht, seit ich Philippes Brief gelesen hatte. Und ich war mehr als erleichtert, daß Leon meiner Ansicht war.
„Wann sollen wir es tun?“ fragte ich.
„Noch heute nacht. Ich möchte nicht, daß noch andere das gleiche Schicksal wie Clara erleiden. Es gab schon genug Opfer.“
„Wir brauchen Sprengstoff.“
„Ich habe welchen in meinem Labor.“ Er sah mich an. „Ich werde dich um Mitternacht abholen. Einverstanden?“
Ich nickte.
Wir fuhren mit einem Höllentempo hinaus auf das Plateau. Wieder huschten Flammen über die Felder und Wiesen.
Ich fragte mich, was wir tun konnten, wenn unser Vorhaben zwar gelang, aber trotzdem alles so weiterging wie bisher. Wenn der Brief Philippes nichts als die Hirngespinste eines Wahnsinnigen enthielt?
Wir konnten mit dem Wagen bis direkt an die Überreste des Weißen Turms fahren. Die Ruinen lagen wie trockene Gebeine unter dem sternklaren Himmel. In der Ferne huschten die Flammen über das Plateau.
Leon hatte darauf bestanden, das Grab zu öffnen, bevor wir es in die Luft jagten. Er wollte wissen, in welchem Zustand sich die Leiche des Professors befand.
Wir sprengten die Öffnung zur Grabkammer auf.
Es war ein schrecklicher Augenblick. Unsere Taschenlampen warfen tanzende Schatten auf die Wände, und in meinen Ohren summten hunderttausend weit entfernte, drohende Stimmen.
Der Professor lag in seinem Glassarg. Er sah genauso aus wie in der Nacht, als wir seine Leiche auf dem Sofa in seinem Arbeitszimmer gefunden hatten. Er zeigte nicht das geringste Anzeichen einer Verwesung.
„Machen wir schnell!“ sagte ich.
Wir saßen bereits im Wagen, den wir hinter einer schützenden Mauer abgestellt hatten, als die Detonation erklang.
In demselben Augenblick erloschen die Flammen, die über die Ebene liefen.
Von dieser Sekunde an war alles vorbei. Aber die Bevölkerung brauchte mehr als vierzehn Tage, um die
Angst vor einem neuerlichen Beginn der Katastrophe abzulegen.
Und erst nach drei Wochen zeigten die Untersuchungen, daß Scheelrings Grabkammer nicht zur gleichen Zeit wie das übrige Gebäude explodiert war. Man nahm an, daß die Zerstörung der Grabkammer auf das Konto irgendeines Fanatikers aus der Umgebung ging, der vielleicht die merkwürdigen Ereignisse mit der Person Professor Scheelrings in Zusammenhang brachte.
Inzwischen sind fünf Jahre vergangen. Nun bin ich der einzige, der von der Sache weiß. Mein lieber Freund Leon Nelsy kam ein Jahr nach diesen Ereignissen bei einem Autounfall ums Leben.
Nach meinem Tod werden dieses Manuskript und der Brief Philippes an die Akademie der Wissenschaften übergeben werden. Denn ich möchte, daß ihr Inhalt für den Fall bekannt wird, daß sich diese oder ähnliche Ereignisse anderswo wiederholen.
E N D E
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