0322 - Das Fratzengesicht
prallte gegen eine Haltestange, bevor sie schlapp wurde und auf dem Sitz zusammensank.
So wie Suko und Shao auch zusammengesunken waren. Der bullige Chinese hatte es geschafft und alle drei ausgeschaltet. Er war zufrieden.
Mit seinen kurzen, dicken Fingern rieb er über den Bauch, während ein Grinsen die untere Gesichtshälfte in die Breite schob…
***
Der Leiter der Touristengruppe, ein gewisser Steenbergen, hatte schon vor Tagen die Dschunke allein für seine Reisetour gechartert.
Hongkong ohne Dschunkenfahrt war nur halb soviel wert, und diese Fahrt mit der Gruppe sollte etwas ganz Besonderes sein, denn sie dauerte über zwei Tage.
Die Schiffsreise führte in das Südchinesische Meer hinein, wo einige Inseln angelaufen werden sollten. Auf einer Insel wurde auch übernachtet, sehr primitiv, ohne Dusche und WC, mal ein wenig den Hauch verspüren, den auch Robinson Crusoe gerochen hatte.
Das wollten die Reisenden aus den Großstädten wie Amsterdam, Den Haag oder Rotterdam.
Ihre Zahl hatte auf 25 begrenzt werden müssen, obwohl Steenbergen noch weitere Anmeldungen vorlagen, die er zunächst einmal für die nächste Asien-Tour vormerkte.
Im Hilton Hongkong hatten die Mitglieder der Gruppe noch einmal erleben können, was Zivilisation ausmachte, dann war man in einen Bus gestiegen und zum Hafen gefahren.
Die Dschunke oder Brigantine wartete bereits. Das Schiff lag auch nicht dort, wo die anderen dümpelten, sondern an einer Stelle, die relativ einsam war. Wenigstens befanden sich keine anderen Schiffe in der Nähe. Niemand dachte sich etwas dabei. Die Erwartungen der Frauen und Männer waren viel zu hochgespannt, man malte sich bereits aus, welche Abenteuer man erleben würde.
Steenbergen sprach mit dem Kapitän. Er war ein schmuddeliger Bursche namens Xang. Die Uniformjacke zeigte Flecken. Unter den Achseln waren sie besonders groß. Von dort strömte auch der säuerliche Schweißgeruch, der vor allen Dingen den Damen unter den Reisenden sehr mißfiel.
»Sie sind pünktlich«, sagte Xang zu dem Reiseleiter und reichte ihm die Hand.
»Wenn ich etwas organisiere, immer.«
»Das ist gut. Dann hoffe ich ferner, daß Ihre Leute da see- und sturmfest sind.«
»Wieso?«
Der Kapitän lachte laut. »Schauen Sie mal gegen den Himmel. Das gibt ein Wetterchen.«
Steenbergen hob den Kopf, sah über dem Meer die grauen Wolken heranziehen und zuckte mit den Schultern. »Wenn es zu stürmisch wird, müssen wir uns eben in der Koje festschnallen.«
Xang wollte sich vor Lachen ausschütten. »Koje? Ich glaube, ich habe mich verhört. Das ist keine Koje, in der Sie und Ihre Leute schlafen. Sie werden sich daran gewöhnen müssen, die Ruhepausen in Hängematten zu verbringen.« Er tippte Steenbergen an. »Sie wollten es doch stilecht haben, oder täusche ich mich da?«
Der Reiseleiter war ein wenig blaß geworden. Aus diesem Grund traten die Sommersprossen in seinem Gesicht noch stärker hervor.
Fahrig fuhr er durch sein rotblondes Haar. »Natürlich wollte ich es stilecht haben. Es werden sich nur einige Leute wundern.«
»Sagen Sie das lieber gleich, Mister, dann können die Ängstlichen noch abspringen.«
Steenbergen wollte erst nicht so recht. Überlegte es sich anders und sprach mit den Leuten.
Begeistert waren sie nicht, das las er an ihren Mienen ab. Doch niemand sprang ab, weil sich wohl keiner vor dem anderen blamieren wollte. So nahm man die Fahrt eben hin.
»Dann heiße ich Sie alle herzlich willkommen!« rief der Kapitän laut und deutete auf sein Schiff. »Sie werden das Vergnügen haben, mit einer echten Dschunke zu fahren. Wir nennen sie auch Brigantine.« Er sprach ein schreckliches Englisch, aber die meisten seiner Worte wurden verstanden, vor allen Dingen die Warnung, die er noch hinzufügte und seiner Stimme dabei einen dumpfen Klang gab. »Diese Dschunke ist verflucht. In ihr lebt ein böser, unheimlicher Geist, der die Menschen vernichtet und sie frißt.«
Ein besonders Mutiger rief zurück: »Was ist das denn für ein Geist? Wir müssen ihn schließlich anreden können, wenn wir ihm begegnen.«
»Auf diesem Schiff sind Männer gehängt worden. Sie baumelten Tage und Wochen an der Rah, bis nur mehr Skelette von ihnen zurückblieben. Habt ihr verstanden? Skelette!«
»Kann man die auch mal sehen?« rief der Mutige.
»Natürlich. In Vollmondnächten erscheinen sie in einem blauen Licht an der Rah hängend. Sie dürsten dann nach dem Blut der Menschen, denn sie sind zu gierigen Vampiren
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