0323 - Herrin der Vampirburg
unsichtbaren Burg im südwestlichen Wales, ließ aber in diesem Punkt nicht mit sich reden. Er hatte Sid Amos Asyl gewährt und stand auch weiterhin dazu.
»Eines Tages wird er dich, wird er uns alle verraten«, hatte Teri gewarnt. »Vergiß niemals, wer er war.«
»Ich vergesse niemals, wer er ist«, hatte Merlin etwas schroff geantwortet. »Würdest du deinen Bruder zurückstoßen, wenn er deine Hilfe braucht?«
»Hilfe? Der Fürst der Finsternis braucht Hilfe? Die Hölle will ihn nicht mehr, jetzt besinnt er sich, daß er auf der anderen Seite einen Bruder hat. Dich, Merlin, den König der Druiden, seinen bisher großen Gegenspieler! Und wann wird er abermals die Seiten wechseln?«
»Es gibt Dinge, die nur ich sehe«, sagte Merlin ruhig. »Ihr seid beide jung, Gryf und du. Ich verstehe, daß Sid Amos’ Nähe dir Unbehagen bereitet. Oft genug hattest gerade du mit ihm zu tun. Doch… ich kann und will nicht mehr ändern, was geschah. Ein anderer hält die Macht in der Hölle, und ich bin mit meinem Bruder vereint. Weißt du, was es bedeutet, Jahrtausende lang allein zu sein? Eine Ewigkeit lang?«
»Manchmal begreife ich dich nicht, Merlin«, warf Gryf ein. »Du bist undurchsichtig, und manchmal glaubte ich schon früher, daß du auf der anderen Seite der Macht stehst. Doch jetzt… warum, zum Teufel, gehst nicht du in die Hölle, statt daß dieser Kerl hier sein Unwesen treibt?«
»Du bist blind, Gryf«, sagte Merlin nur.
Seitdem hatten sie nie wieder darüber diskutiert, aber die beiden Druiden gaben Merlin mehr als deutlich durch ihr Verhalten zu verstehen, daß sie Sid Amos nicht auf Dauer in Caermardhin dulden wollten. Sie hielten sich selbst nur noch selten dort auf. Gryf, der Achttausendjährige, besaß eine kleine verträumte Hütte auf der Insel Angelesey, die einst von den Druiden Mona genannt wurde, und dorthin zog er sich mit Teri zurück. Manchmal bummelten sie durch die Welt, waren mal hier und dort. Und Fenrir, der telepathische Wolf, schloß sich ihnen des öfteren an..
Auch er empfand keine Freundschaft zu Sid Amos.
Derzeit hielten sie sich in Schottland auf, in Eddieston, einem kleinen Dorf nahe der Stadt Peebles, ein paar Dutzend Meilen südlich von Edinburgh. Vor ein paar hundert Jahren war Gryf bei seinen Wanderungen durch die Weltgeschichte einmal hier gewesen -wer seit mehr als achttausend Jahren lebt und dabei immer noch wie ein Zwanzigjähriger wirkt, nimmt es mit den Jahreszahlen nicht so ganz genau -, und nun wollte er sich ansehen, was aus dem damals winzigen Dorf geworden war. »Vier Häuser und fünf Spitzbuben gab es damals«, hatte er behauptet.
Inzwischen war Eddieston erheblich gewachsen und besaß sogar sieben Pubs und zwei Kirchen, hatte aber immer noch Dorfcharakter, und Gryf fühlte sich auf Anhieb wieder so wohl wie damals, als er als Wanderdruide unterwegs gewesen war in einer Zeit, in welcher die Druiden längst vom Christentum verdrängt worden waren. Gryf sah sich auch weniger als Prediger, sondern als Wissender. Und als Sucher. Er kämpfte gegen die Mächte des Bösen, und wenn er einen Vampir aufspüren konnte, so wurde der ausgeschaltet.
Sein anderes Hobby hatte er damals etwas zu intensiv gepflegt; nachdem eines der Mädchen des Dorfes bemerkt hatte, daß Gryf noch mit allen anderen kleine Techtelmechtel unterhielt, hatten sie sich alle zusammengetan und den Druiden davongejagt. Spaß hatte es aber jeder einzelnen trotzdem vorher gemacht.
Diesmal war Gryf noch nicht auf Brautschau gegangen, obgleich die Auswahl ungleich größer war als damals, als es noch den Dorfbrunnen in der Mitte der Häusergruppierung gab und keine Schnellstraße durch die Ortschaft führte. Teri Rheken war in seiner Begleitung, und in dieser Nacht liebten sie sich allein. Nicht, daß Teri eifersüchtig gewesen wäre, hätte Gryf sich im Dorf umgetan. Sie ging ja selbst auch oft genug andere Wege.
Aber sie genoß es auch, wieder mal mit Gryf allein zu sein. Sie lag in seinen Armen, inzwischen ruhig geworden, und nahm die Wärme und den Duft seines Körpers auf. So lange, bis etwas Feuchtes über ihren Rücken glitt; immer weiter abwärts.
Mit einem ärgerlichen Schrei löste sie sich aus Gryfs Umarmung, glitt zur Seite weg und starrte den Wolf finster an, dessen lange rote Zunge immer noch aus dem Maul hing. Fenrir zog die Lefzen hoch, er grinste.
»Du bist wohl verrückt geworden?« fauchte Teri ihn an. »Es war schon mühevoll genug, dich einzuschmuggeln! Wenn du dich nicht
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