0328 - Die Bestie aus dem Todestal
Berater.
Von Eysenbeißens Ratschlägen indessen hielt Wang Lee nichts.
Die waren entweder undurchführbar oder blödsinnig. Dennoch schickte Leonardo den Mann nicht dorthin zurück, woher er ihn einst holte: in eine Seitenlinie der Zeit der Erde, neben dem Mittelalter der Hexenverbrennung. Eine Zeit, die neben der wirklichen verlief und niemals eine Chance gehabt hatte, Realität zu werden, die es aber dennoch gab. Ein unbegreifliches Phänomen, das Wang Lee nicht verstand. Er zweifelte sogar daran, daß seinem Herrn Leonardo dieses Phänomen erklärlich war. Er nahm es einfach so hin.
»Ich habe eine neue Idee«, kündigte Magnus Friedensreich Eysenbeiß an. »Entsinnt Ihr euch, Herr, an einen Mann namens Bill Fleming?«
Leonardo nickte.
»Dieser Bill Fleming«, fuhr Eysenbeiß fort, »verlor vor einiger Zeit die Gefährtin, die er über alles liebte. Er würde alles, wirklich alles tun, um sie zurückzuerhalten. Warum versprechen wir es ihm nicht?«
»Narr, weil das schon ein Dämon tat, um ihn in seinen Bann zu schlagen. Doch es mißlang. Der Rote Dämon wurde getötet.« [1]
Wang Lee lachte spöttisch auf.
»Wahrlich, eine neue Idee«, höhnte er. »Eine, die bereits einen aus den höllischen Heerscharen das Leben kostete! Dieser Fleming müß- te schon ein ausgemachter Trottel sein, fiele er ein zweites Mal auf denselben Trick herein.«
Die silbrig schimmernde Maske verriet nichts von Eysenbeißens Gefühlen. Der einstige Ewige der Mördersekte hob eine Hand. Ruhig und beherrscht klang seine Stimme, als er Wang direkt ansprach:
»Mongole, meinst du nicht, daß auch Bill Fleming deiner Ansicht ist? Meinst du nicht, daß er nicht an einen Trick glauben kann, wenn er wiederholt wird? Ich denke, daß er uns nicht für so dumm hält. Deshalb werden wir uns so dumm stellen. Und wir fädeln es diesmal besser ein! Goro’heel, der Rote Dämon, ging es zu direkt an, und das war sein Verhängnis. Wir machen es auf die geschicktere Weise. Fleming wird nicht einmal merken, worauf er sich einläßt.«
»Das ist ja auch so schrecklich einfach«, spottete Wang.
»Da ist was dran«, sagte Leonardo zu Wangs Überraschung. »Wir müssen versuchen, Bill Fleming auf unsere Seite zu ziehen, ohne daß es ihm bewußt wird. Er muß in die Netze der Hölle verstrickt werden, und erst wenn er nicht mehr von uns loskommt, dann schlagen wir zu, offenbaren uns ihm und zwingen ihn, gegen seinen Freund Zamorra anzutreten. Allein die Überraschung, von seinem ältesten Freund verraten worden zu sein, wird ihn besiegen.«
»Genau das, Herr, meinte ich«, sagte Eysenbeiß eifrig.
»Hast du konkrete Pläne, wie du es anstellen willst?« fragte Leonardo.
Eysenbeiß nickte und verneigte sich, zeigte mit seinem Schweigen aber auch, daß er nicht gewillt war, in Wang Lees Anwesenheit über seine Pläne zu sprechen. Leonardo verstand ihn. Die beiden waren sich spinnefeind, und Eysenbeiß befand sich stets in der schwächeren Position. Nicht, daß das Leonardo gestört hätte. Mochten sie sich untereinander befehden, solange sie dabei nur die Ziele der Hölle nicht aus den Augen verloren. Der Kriegszustand zwischen den beiden Männern mochte sie gar noch beflügeln.
Leonardo nickte.
»Ich gebe dir freie Hand. Aber du wirst mir über alles, was du tust und tun läßt, Rechenschaft ablegen.«
»Herr!« fuhr Wang Lee auf.
Leonardo brachte ihn mit einer raschen Handbewegung zum Schweigen. »Eysenbeiß, du kannst über die Dämonen meiner Heerscharen verfügen und sie nach Belieben einsetzen, doch ich rate davon ab, selbst Kontakt mit Bill Fleming aufzunehmen. Er könnte dich durchschauen.«
»Ich weiß, Herr«, sagte Eysenbeiß. »Ich weiß auch längst, wie ich vorgehen werde. Der Erfolg ist gewiß.«
»Ha!« knurrte Wang Lee. »Ausgerechnet dieser Zwerg spricht von Erfolg. Er, der bei jeder sich bietenden Gelegenheit versagt! Es wird nicht gelingen, Herr. Laßt Euch nicht von diesem Narren bereden. Es wäre Euer Unheil.«
»Davon«, sagte Leonardo, »bin ich nicht überzeugt. Aber sollte Eysenbeiß versagen, wirst du Gelegenheit haben, dich an seiner Stelle zu bewähren.«
Wang Lee neigte den Kopf. Er zog sich zurück. Einverstanden mit der Entscheidung seines Herrn war er dennoch nicht.
Aber eines Tages würde er selbst es sein, der entschied. Dann würden solche Fehler nicht mehr vorkommen.
Leonardo de Montagne glaubte, in Wang einen treuen Diener zu haben. Das stimmte auch. Wang Lee Chan war bedingungslos treu – solange er
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