033 - Der Frosch mit der Maske
beiden Schultern. Sie war halb wahnsinnig vor Schmerz und Entsetzen. Und während der verblüffte Selinski verständnislos auf die Szene blickte, sagte Dick kurz und befehlend: »Du wirst jetzt zu mir nach Hause gehen, wirst ein Buch nehmen und wirst lesen. Hörst du, Ella? Du darfst nichts beginnen, eh du Nachricht von mir erhältst! Du wirst nicht aus dem Haus gehen, du wirst nur lesen und lesen -die Bibel, Polizeinachrichten, was du willst, aber du darfst nicht daran denken! Elk und ich werden alles tun, was menschenmöglich ist.«
Sie bemeisterte ihre wilde Angst und versuchte sogar zu lächeln. »Ich weiß, daß du es tun wirst«, sagte sie, am ganzen Leib schaudernd. »Bitte, bring mich nach Haus.«
Er sandte Elk nach der Fleetstraße, um auch die geringsten Berichte über den Mord in den Zeitungsbüros zu erheben, und brachte Ella selbst nach Harley Terrace.
Als sie aus dem Wagen stiegen, sah Dick, daß ein Mann vor dem Haus wartete. Es war Joshua Broad. Ein Blick auf sein Gesicht genügte, um zu erkennen, daß er von dem Mord wußte und dessen Umstände erriet. Er wartete im Vorraum, bis Dick das Mädchen in sein Arbeitszimmer geführt und jede illustrierte Zeitung, jedes Buch, das er finden konnte, vor ihr aufgestapelt hatte.
»Lola ist zu mir gekommen und hat mir alles erzählt.«
»Das habe ich geahnt«, sagte Dick. »Wissen Sie etwas Näheres?«
»Ich wußte nur, daß die beiden Männer in der Verkleidung von Landstreichern ausgezogen sind. Das ist das Werk des Frosches. Aber warum hat er das getan?«
»Ich weiß es«, sagte Dick. »Der Frosch kam gestern nacht zu Fräulein Bennett und fragte sie, ob sie ihn heiraten will. Er versprach, ihren Bruder zu retten, wenn sie einwilligte. Aber ich kann kaum glauben, daß er den ganzen teuflischen Plan zu diesem Zweck ersonnen haben soll.«
»Zu keinem anderen«, sagte Broad kühl. »Sie kennen den Frosch nicht, Gordon. Der Mann ist ein Stratege. Sagen Sie, Gordon, kann ich irgend etwas für Sie tun?«
»Ich möchte Sie bitten, hier zu bleiben und Fräulein Bennett Gesellschaft zu leisten«, sagte Dick.
Ella sah mit einem peinvollen Blick auf, als der Besucher ins Zimmer trat. Sie glaubte die Anwesenheit eines Fremden zu dieser Stunde nicht ertragen zu können und sah flehentlich zu Dick auf.
»Falls Sie nicht wollen, daß ich hierbleibe, Fräulein Bennett«, sagte Broad, »so werde ich sogleich gehen, aber ich habe Ihnen die Mitteilung zu machen, daß Ihr Bruder sicherlich gerettet werden wird.«
»O Gott, haben Sie Nachrichten von ihm?« fragte Ella hastig.
»Ja, die habe ich, aber Sie dürfen es mir nicht verargen, wenn ich jetzt noch nicht darüber sprechen darf!« sagte der Amerikaner fröhlich.
Dick telefonierte an die Garage nach seinem Wagen, nach demselben gelben Rolls, den Ray gelenkt hatte, als er zum erstenmal nach Horsham gekommen war. Dicks erster Besuch galt dem Büro der Staatsanwaltschaft, wo er die Tatsachen vorlegte.
»Das ist eine höchst merkwürdige Geschichte«, sagte der Oberstaatsanwalt, »aber ich bin da natürlich nicht kompetent. Sie würden besser sofort den Staatssekretär aufsuchen, Gordon.«
»Tagt das Unterhaus jetzt?«
»Nein, und ich glaube sogar, daß der Staatssekretär, der als einziger etwas für Sie tun kann, sich zur Zeit nicht einmal in der Stadt befindet. In der letzten Woche wurde eine Konferenz in San Remo abgehalten. Und ich habe so eine Ahnung, daß er auch hingefahren ist.«
Dicks Herz stand still.
»Ist niemand sonst im Ministerium des, Innern, der helfen kann?«
»Der Unterstaatssekretär. Vielleicht fahren Sie zu ihm.«
Das Departement der Staatsanwaltschaft war im Ministerialgebäude untergebracht, und Dick ging geradewegs auf die Suche nach dem verantwortlichen Beamten.
Der Sekretär, dem er die Umstände erklärte, schüttelte den Kopf.
»Ich fürchte, daß wir nichts machen können, Gordon«, sagte er. »Der Staatssekretär ist auf dem Land und sehr krank.«
»Wo ist der Vizestaatssekretär?« fragte Dick verzweifelt.
»Der ist in San Remo.«
»Und wie weit ist Herrn Whitbys Haus von der Stadt entfernt?«
»Ungefähr dreißig Meilen, diesseits von Tunbridge Wells.«
Dick schrieb die Adresse auf ein Stück Papier.
Eine halbe Stunde später raste über die Westminsterbrücke ein langer gelber Rolls Royce, der sich mit einer Sorglosigkeit durch das Gewühl hindurchdrängte, die sogar den kaltblütigsten Chauffeuren den Atem stocken ließ. Vierzig Minuten, nachdem er Whitehall
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