0330 - Der Seelenwächter
sind Geisterwesen, die du erschlägst – keine Menschen!«
Das Girl hörte kaum hin. Langsam wurde ihr der Arm lahm. Das Schwert war so schwer und ließ sich immer mühsamer schwingen. Corinna hörte über den Kampflärm ihren keuchenden Atem. Parieren, Schlagen, Zustoßen, die Klinge frei zerren und den nächsten Hieb parieren –Corinna fühlte sich, als sollte sie mit Sandsäcken alleine eine Sturmflut aufhalten. Immer neue Angreifer wogten heran.
Michael Ullich schien ganz in seinem Element. Sein Schwert pfiff durch die Luft und lichtete die Reihen der Dämonenwesen in den Kriegerrüstungen einer Fantasywelt. Mit lauter Stimme begann er kurz und abgehackt Lieder zu singen, die im dreißigjährigen Krieg bereits die Landsknechte gröhlten.
»Ach war das eine Freude – als mich der Herrgott schuf! – Ein Kerl wie Samt und Seide – nur schade, daß er suff!« dröhnte es den Dämonen entgegen.
Unbegreiflich, wie dieser »Stuntman« aus Deutschland bei diesem Wirbel des Kampfes noch Luft zum singen hatte. Corinna wußte nicht, daß Michael Ullich in einer früheren Existenz im hyborischen Zeitalter ein mächtiger Krieger gewesen war und bei Schwertkämpfen immer wieder dieses Erbe erwachte. Dann war er nicht mehr der nette Junge von nebenan, sondern ein wilder kompromißloser Kämpfer einer vergangenen Zeit.
»Im Schwarzen Adler von Caldaro – da soff ein Krieger drei Tag… !« stimmte er ein neues Lied an. Dazu blitzte sein Schwert auf und ab wie ein Blitz und stieß zu wie der Schädel einer gereizten Kobra.
Corinna Bowers hörte nicht mehr hin. Ihre Kräfte gingen langsam zu Ende. Und obwohl sie drehbuchgerecht überleben würde, waren die Aktionen ihrer Gegenspieler nicht recht zu durchschauen. Was, zum Donnerwetter, wollten die drei Typen da drüben mit den Stricken anfangen?
Bevor Corinna begriff, was geschah, wirbelten Schlingen. Ein Seil fiel über ihren Körper und wurde, kaum daß es die Hüften erreicht hatte, fest angezogen. Die Biester versuchten, sie zu fangen und wegzuzerren.
Nicht ganz drehbuchgerecht, aber sicher so, wie echte Krieger einer Fantasywelt handeln würden. Männer wurden erschlagen – doch so hübsche Mädchen wie Corinna dienten im Lager den Kriegern zur Freude.
Mit einem Hieb trennte Corinna das Seil durch. Doch im gleichen Moment fiel eine Schlinge um ihren Schwertarm. Ruckartig wurde sie angezogen und vor Schmerz ließ sie die Waffe los. Sofort flogen weitere Seile.
»Ein Hauptmann im Hethärenhaus erwachet… !« dröhnte hinter ihr der Kriegsgesang des Jungen, über den der Geist des in ihm schlummernden hyborischen Kriegers immer mehr Gewalt bekam.
»Micha! Hilf mir! Sie haben mich!« kreischte Corinna entsetzt als sie spürte, wie Schlingen um ihre Füße wirbelten und sich verhingen. Ein Ruck und sie verlor den Boden unter den Füßen. Aufkreischend ging Corinna zu Boden.
Wie eine Meute Wölfe waren die Dämonenwesen über ihr. Wenn sie auch nicht verletzt wurde – was sich diese Teufel herausnahmen und wo sie alle ihre Hände hatten, das ließ Corinna entsetzt quietschen.
Diese Biester spielten ihre Rollen nur zu echt.
Corinna riß den Dolch aus dem Gürtel und versuchte, die Maschen und Schlingen zu durchtrennen, die sie jetzt immer mehr umgaben. Immer wieder schrie sie mit lauter Stimme um Hilfe. Denn die Wesen gingen jetzt daran, ihr die Hände und Füße zusammenzubinden, sie hochzuheben und ihren Körper davonzutragen. So sehr sie sich sträubte, diesen Griffen konnte sie nicht entkommen.
Im gleichen Augenblick änderte sich auch für Michael Ullich die Situation.
Corinna, die ihm den Rücken freigehalten hatte, war fort und nun konnten die Dämonenwesen mit Menschenkörpern von allen Seiten auf ihn eindringen.
Er packte das Schwert mit beiden Händen und wirbelte wie ein Strudel.
Doch immer neue Horden drangen heulend und johlend auf ihn ein.
Zehn Legionen verdammter Geister…
Eine unheimliche Zahl.
Eine Übermacht, gegen die es keine Chance gab.
Was war, wenn Uromis die Kontrolle verlor?
***
So ähnlich dachte auch Professor Zamorra. Er sah, wie das Kampfgetümmel auf dem Set immer mehr ausuferte. Jeder kämpfte gegen jeden – und die beiden menschlichen Darsteller waren mitten drin. Die Wesen aus dem Dämonenreich empfanden keinen Schmerz und konnten nicht sterben. Aber wenn sie in Rausch gerieten, dann waren sie nur schwer unter Kontrolle zu halten. Und dann tobten sie ihre bösartigen Neigungen an allem aus, was sie bekommen
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