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0351 - Jäger der Nacht

0351 - Jäger der Nacht

Titel: 0351 - Jäger der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Kurt Giesa
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Der Spätheimkehrer, auf halbem Weg zwischen seiner Hütte am Wald und dem Pub im Dorf, wirbelte herum. Nur das Dorf konnte ihm jetzt Schutz geben. Dort gab es noch ein paar Männer mit Gewehren, die diesem verdammten Wolf eins auf den Pelz brennen konnten.
    Dermoth rannte. Er war froh, nicht sehr viel getrunken zu haben. Sonst wäre er bestimmt gestürzt, noch bestimmter aber nicht so schnell gewesen, wie er jetzt lief. Immer wieder sah er sich um. Wo war der Wolf? Er mußte noch hinter ihm sein, den Hügel hinunter hetzen. Dermoth konnte ihn nicht sehen. Dicht am Boden schützte der graubraune Pelz den Wolf davor, in der Dunkelheit zu früh erkannt zu werden. Aber hin und wieder erkannte Dermoth das Aufglühen von Augen in der Dunkelheit.
    Die Häuser ragten vor ihm auf. Dermoth rannte über die Dorfstraße, dem Pub zu. Hechelte der Graue nicht schon dicht hinter ihm? Der Wolf hatte doch zwei Beine mehr und mußte deshalb auch doppelt so schnell sein, schoß es dem Fliehenden durch den Kopf. Er erreichte den Pub, riß die Tür auf und stürmte in den verräucherten Schankraum. Er warf die Tür hinter sich zu. War das nicht ein Doppelknall? Prallte nicht gerade in diesem Augenblick ein schwerer Körper springend gegen die Tür?
    Die Köpfe der Zecher flogen herum. »Gawain? Was ist denn mit dir los?«
    »Der Wolf«, schrie Gawain Dermoth. Er taumelte vorwärts, zwischen den Tischen und Stühlen hindurch zum Tresen, wo Jo Branwen mit einem karierten Tuch Gläser trockenrieb. »Der verdammte Wolf…«
    »Hast du dir einen Wolf gelaufen, nachdem deine Frau dich aus dem Haus geprügelt hat, eh?« Percyval Carnegy lachte meckernd. »Hat ihr wohl nicht gefallen, daß du sturzbetrunken ’raus bist, und da hat sie mit der großen Kelle zugelangt, wie?«
    Dermoth starrte ihn sprachlos an. Carnegy war selbst der größte Säufer im Ort, und Dermoth hatte an diesem Abend nur zwei Gläser Bier getrunken. Von Trunkenheit konnte also bei ihm keine Hede sein!
    »Sei ruhig, Percyval«, wies Branwen, der Keeper, Carnegy zurecht. »Gawain war heute ein verdammt schlechter Kunde. Wenn ihr alle so wenig trinken würdet, wäre ich schon verhungert. Trinkst du jetzt was, Gawain?«
    »Den schärfsten Whisky, den du hast«, murmelte Dermoth. »Den brauche ich jetzt. Und wenn einer ’ne Zigarette hat…«
    Von drei Seiten wurden ihm Packungen entgegengehalten. Dermoth griff wahllos zu. Ein Feuerzeug klickte leise.
    »Was ist jetzt mit deinem Wolf?« wollte Branwen wissen.
    »Ich bin von einem Wolf verfolgt worden, bis hierher ins Dorf«, sagte Dermoth heiser. »Oben auf dem Hexenhügel hockte er und heulte den Mond an. Habt ihr das nicht gehört?«
    »Bei dem Krach hier?« fragte Branwen zurück. »Gawain, du hast geträumt. Sir Matthew hat den letzten Wolf erlegt und geschworen, daß es eher keine Engländer mehr in ganz Gwynnedd gäbe, als daß noch einmal ein Wolf in seinem County auftauchte…«
    »Dann sind eben alle Engländer aus Wales ’raus, aber den Wolf habe ich doch gesehen«, beteuerte Dermoth. »Er war hinter mir, verdammt! Ich war schon auf halber Strecke, als ich ihn sah. Und das Biest ist bis hierher hinter mir her gehetzt.«
    »Dann müßte er ja jetzt draußen sein, wie?« fragte Branwen.
    Dermoth kippte den Whisky auf einen Schluck herunter und schüttelte sich heftig. Dann nickte er. »Möglich. Du hast doch ein Gewehr, Jo. Vielleicht sollten wir von einem der Fenster oder vom Dach aus…«
    »Du hast sie nicht mehr alle«, sagte Branwen gelassen. »Glaubst du im Ernst, ein Wolf kommt ins Dorf? Selbst wenn es das Biest wieder gäbe, würde es draußen im Wald bleiben. Wölfe sind scheu.«
    »Wenn sie Hunger haben, kommen sie auch in die Dörfer«, murmelte jemand im Hintergrund.
    Percyval Carnegy lachte wieder.
    »Ich sehe mal nach«, verkündete er. »Vielleicht sitzt das liebe Wölfchen draußen vor der Tür, gibt Pfötchen, wenn ich aufmache, und entpuppt sich als Dackel oder Rehpinscher…«
    Schon steuerte er auf die Tür zu.
    Dermoth umklammerte das leere Whiskyglas, als wolle er es zerdrücken. Sein Gesicht war totenbleich. Geh nicht ’raus, wollte er Carnegy nachrufen, aber da öffnete der schon die Tür.
    Etwas warf sich auf ihn und schleuderte ihn zu Boden.
    ***
    Der Wolf existierte tatsächlich. Er hatte Dermoth entdeckt und sich ihm nähern wollen. Aber Ga wain Dermoth hatte die Annäherung falsch verstanden. Seit Urzeiten waren Mensch und Wolf Feinde, und nur einmal hatten Menschen es geschafft, diese

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