0351 - Jäger der Nacht
Zamorra verschleppte. Ihr Verdacht stimmte also.
Sie versuchte, »dran« zu bleiben und die Druidin durch den zeitlosen Sprung weiter zu verfolgen. Aber die Verbindung riß ab. Das Amulett konnte die Teleportation nicht nachvollziehen. Es konnte den Ort, zu dem Teri mit dem bewußtlosen Zamorra gesprungen war, nicht aufspüren.
Nicole löschte die Magie. »Dann eben nicht«, murmelte sie. Wie konnte sie Zamorra finden, und wie den Wolf? Sie mußte versuchen, mit dem Amulett seine Geistesschwingungen aufzufangen. Das ging aber nur, wenn er bei Bewußtsein war. Das konnte aber noch einige Zeit dauern.
Also war es vielleicht besser, erst einmal nach Fenrir zu suchen. Der Wolf mußte doch inzwischen mitbekommen haben, daß seine Freunde in der Nähe waren…
Diesmal verzichtete Nicole auf den Einsatz zusätzlicher Magie. Sie benutzte nur das Amulett und konzentrierte sich auf den Wolf.
Fenrir, melde dich! Wo steckst du? Gib dich zu erkennen!
Aber Fenrir meldete sich nicht.
***
Yrene, die Werwölfin, war in die Nacht hinausgehetzt. Sie war erschrocken und verwirrt, und in ihr brannte ein gefährlicher Schmerz. Die Wunde am Vorderlauf war wieder aufgebrochen.
Erst, als sie das Dorf nicht mehr sehen konnte, hielt sie hinter einem Hügel an. Über ihr strahlte faszinierend hell der Mond, und sie spürte wieder das dringende Bedürfnis, den Kopf zu heben und ihren schaurigen Gesang von sich zu geben. Die wilde Unruhe, die sie in sich spürte, kämpfte gegen den Schmerz an.
Sie war von Silber berührt worden.
Und das Silber hatte dafür gesorgt, daß die Wunde sich wieder öffnete. Schwärzlich sickerte es unter dem vom Fell durchwachsenen Pflaster hindurch.
Yrene streckte sich auf dem Boden aus. Sie mußte zur Ruhe kommen und überlegen. Sie war garantiert erkannt worden, das wurde ihr jetzt klar. Man würde sie jagen. Man würde das Haus beobachten, fais sie dorthin zurückkehrte. Aber sie mußte zurück. Sie konnte nicht ständig in wölfischer Gestalt durch die Gegend streifen. Aber wenn sie sich zurückverwandelte, brauchte sie Kleidung. Also mußte sie zum Haus…
Doch im Dorf warteten die Feinde.
Solange sie ahnaungslos gewesen waren, waren sie nur Opfer gewesen. Leichte Beute. Einer nach dem anderen. Selbst wenn sie wußten, daß kein normaler Wolf, sondern ein Werwolf sein Unwesen trieb, wäre das noch harmlos gewesen. Denn solange Yrene sich in menschlicher Gestalt zwischen ihnen bewegte, konnte niemand feststellen, was sie wirklich war.
Sie wußte es doch auch erst seit ein paar Tagen!
Da war das dämonische Erbe in ihr jäh durchgebrochen und hatte ihr gezeigt, wer und was sie wirklich war.
Schwarzes Blut floß in ihren Adern. Dämonenblut. Werwolfblut.
Und die Erinnerung war freigeworden. Die Erinnerung, die jahrelang in ihrem Unterbewußtsein verschlossen und blockiert gewesen war, und wie damals hörte sie in Gedanken ihre Mutter sprechen:
»Mir bleibt nicht mehr viel Zeit… aber vorher sollst du wissen, wer du bist. Dein Vater ist ein normaler Mensch, aber ich bin etwas, das die Menschen eine Dämonin nennen. Ich bin eine jagende Wölfin. Doch ich wurde selbst gejagt, und ich wurde mit einem Fluch belegt, der mich jetzt ereilt. Man sagte mir nach, ich hätte einmal die meisten verraten. Daraus resultiert der Fluch. Du bist ein Mischling. Halb Mensch, halb Werwolf-Dämonin. Eines Tages wird dieses Erbe in dir erwachen, und dann sollst du wissen, warum. Woher es kommt: von mir. Bis dahin wirst du als ganz normales menschliches Mädchen heranwachsen. Aber wenn das Erbe des Schwarzen Blutes erwacht, wirst du lernen, mit deinen geheimen Fähigkeiten umzugehen, und du wirst Macht gewinnen. Die Nacht wird deine beste Freundin sein, und der Drang, zu töten, wird übermächtig in dir. Menschen… sie sind nur Opfer, mehr nicht. Selbst deinen Vater heiratete ich nur, um in dir weiterleben zu können. Und um mich zu tarnen… Doch der Fluch hat mich gefunden. Nun wirst du alles vergessen, was ich dir gesagt habe. Erst dann kannst du dich wieder daran erinnern, wenn deine erste Verwandlung stattgefunden hat. Denn dann mußt du wissen, daß du lykanthorpisch veranlagt bist… Benutze deine Fähigkeiten gut, hüte dich vor Dämonenjägern und lebe wohl. Und nun vergiß… bis irgendwann…«
Und einen Tag später war sie bei einem Unfall ums Leben gekommen. Damals war Yrene gerade fünf Jahre alt gewesen. Jetzt erst wußte sie, daß es kein normaler Unfall gewesen war, sondern eine gesteuerte Aktion
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