0351 - Jäger der Nacht
Vorwurf machen konnte. Er und der Inspektor hatten so gehandelt, wie sie nach menschlichem Ermessen handeln mußten. Sie hielten Fenrir für die Mordbestie. Woher sollten sie wissen, daß der alte Bursche aus Sibirien hochintelligent und ein Freund der Menschen war?
So was gab’s doch höchstens im Märchen…
Vorsichtig kamen die Männer heran.
Nicole nahm das aktivierte Amulett und legte es auf die Schußwunde. Die Kugel schien zu stecken. Die würde ein Tierarzt herausholen müssen. Aber Nicole konnte wenigstens versuchen, den Blutfluß zu stillen und die verletzten Adern zu schließen. Sie streichelte das Wolfsfell. Fenrir sah sie aus großen Augen an. Sie glaubte seinen Schmerz zu fühlen.
»Du wolltest zu mir, nicht wahr?« murmelte sie. »Hör zu… warum öffnest du deinen Geist nicht? Ich bin jetzt bei dir! Teri kann dir nicht gefährlich werden, solange ich bei dir bin.«
Plötzlich war auch Morehead da. Er hielt seine Dienstpistole an den Wolfsschädel. Fenrirs Augen weiteten sich, sein Stirnfell krauste sich und er legte die Ohren an. »Treten Sie zurück«, bat Morehead. »Das Biest muß erschossen werden…«
»Das ist nicht der Killer«, schrie Nicole den Mann an, daß er zurückzuckte. »Sind Sie denn auch wahnsinnig? Sehen Sie nicht, wie friedlich er ist? Verhält sich so ein angeschossenes Raubtier? Er müßte doch nach mir schnappen, mich beißen…«
»Vielleicht ist er schon zu schwach dazu«, sagte Morehead.
»Dann brauchen Sie ihn auch nicht zu erschießen«, fauchte Nicole zornig. »Wenn Sie abdrücken, bringe ich Sie um! Der Wolf gehört Zamorra und mir. Er ist unser Haustier. Er ist zahm, geht das nicht in Ihren Schädel? Und halten Sie die anderen Männer zurück!«
»Er trägt kein Halsband und keine Steuermarke…«
Nicole seufzte. »Gehen Sie, bevor ich mich vergesse. Gehen Sie endlich! Verschwindet, ihr alle! Ihr könnt mir höchstens den Gefallen tun, einen Tierarzt zu rufen…« Sie streichelte Fenrir, der immer noch Angst ausstrahlte.
Morehead schüttelte den Kopf.
»Ich glaub’s nicht. Wenn das Ihr Haustier ist, warum war es dann nicht bei Ihnen, als Sie kamen? Ich glaube eher, daß Sie es sind, die den Verstand verloren hat…«
Da hypnotisierte Nicole ihn.
Ihn, Branwen und vorsichtshalber auch Dermoth. Sie setzte die Macht des Amuletts in einer Form ein, wie sie es nie zuvor getan und gewagt hatte. Und sie tat es nur ungern. Es wäre ihr lieber gewesen, wenn sie die Männer mit Worten hätte überzeugen können. Aber das war unmöglich.
»Der Wolf ist zahm«, wiederholte Nicole suggestiv. »Er tut niemandem etwas. Geht zurück. Er ist harmlos. Die wirkliche Bestie steckt woanders.«
Und niemand hatte den Schatten bemerkt, der in Fairwydds Haus huschte und dort eine geschäftige Aktivität entwickelte…
»Der Wolf ist zahm… ja, Sie haben recht«, murmelte Morehead. »Sie haben mich überzeugt…« Er winkte die anderen zurück. Nicole atmete erleichtert auf. Es war gut, daß niemand den Schweiß auf ihrer Stirn und das Zittern ihrer Hände sah. Trotz des Amuletts hatte sie der Vorgang enorme Kräfte gekostet, diese drei Männer so blitzartig unter hypnotische Kontrolle zu bekommen. Sie hatte vorher nicht gewußt, daß sie dazu überhaupt in der Lage war. Sie hatte es einfach nur getan, und jetzt bekam sie Gewissensbisse, daß sie den Willen der Menschen so hatte unterdrücken müssen.
Aber sie hatte es tun müssen, um Fenrir zu schützen.
»Komm, Alter«, murmelte sie. »Du bist in Sicherheit. Du siehst, ich kann dich schützen…«
Da öffnete Fenrir seine Barriere.
Zamorra ist in Gefahr , wisperte er Nicole telepathisch zu. Du mußt ihm helfen. Teri hat ihn in ihrer Gewalt und will ihn Leonardo opfern…
Nicole erstarrte.
»Wo ist er?« stieß sie hervor. »Wohin hat sie ihn verschleppt? Was weißt du?«
Eine Waldlichtung, zwei Meilen von hier und - Nicole! Der Werwolf - ist im Haus hinter dir! Ich spüre ihn wieder! Das ist die Chance für dich und mich …
Nicole begriff sofort. Sie sprang auf.
»Die Werwölfin ist im Haus«, schrie sie den anderen zu. »Kommt, schnell! Wir erwischen sie!« Und sie riß das Amulett an sich und stürmte los…
***
Teri Rheken wiederholte ihre Beschwörung bereits zum dritten Mal. Aber nichts geschah. Der Fürst der Finsternis reagierte nicht. Offenbar reichte Teris Kraft nicht aus, ihn herbeizuzwingen.
Sie machte eine kurze Pause und sah zu Zamorra hinüber. Der Parapsychologe war aus seiner Bewußtlosigkeit
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