0357 - Die Treppe der Qualen
nahmen.
Dafür sah er die Treppe.
Die Treppe der Martern, der Qualen. Man hatte für sie zahlreiche Begriffe gefunden. Jeder, der zu Macha Rothaar wollte, mußte über diese Treppe gehen, die so normal aussah und dennoch ein schauriges Geheimnis barg, denn sie lebte.
Es war keine normale Treppe, wie man sie aus den Tempeln kannte. Jede Stufe hatte ihre Bedeutung, jede Stufe beinhaltete ein Stück Leben, das sie anderen geraubt hatte.
Wer die Treppe betrat, erlebte das Grauen und war verloren, denn die unterschiedlichen Kräfte der einzelnen Stufen bedrohten jeden.
Myxin bewegte sich so weit zur Seite, daß er vor der obersten Stufe stehenbleiben konnte.
Sehr breit waren die Stufen. Obwohl sie in die abfallende Felswand gehauen waren, wirkten sie auf der Oberfläche wie geschliffenes Holz.
Myxin dachte an die Gefährlichkeit der Stufen. Sie reagierten erst, wenn man sie betrat, dann zeigten sie, welch ein Leben in ihnen steckte und welches Grauen sie produzieren konnten.
Macha Rothaar hatte hier ihre letzte Sicherung eingebaut. Aber wo steckte sie? Wo befand sich ihr Schiff?
Vom Beginn der Treppe gelang es dem kleinen Magier, in den Hafen hineinzublicken. Er fand die Lücken zwischen den Felsen, sah die schaumigen Wasserstreifen zwischen den hohen Felswänden, er entdeckte auch das kleine Becken, aber er sah nicht das Schiff, auf dem Macha Rothaar ihre Wohnstatt gefunden hatte.
Konnte sich Goran so getäuscht haben?
Myxin spürte, daß etwas nicht stimmte. Wahrscheinlich hatte er einen Fehler gemacht, indem er nicht versucht hatte, seine Tele-Kräfte einzusetzen. Er war normal wie ein Mensch auf das Ziel zugegangen, hätte aber die Entfernung auch anders überwinden können.
Innerhalb des natürlichen und von hohen Wänden eingerahmten Felsenhafens sah er das dunkle Wasser mit den schaumigen Streifen, wenn sie gegen die harte Felswand schlugen, dort Gischtwolken hinterließen, bevor diese wieder in das Wasser zurückfielen.
Dadurch wirkte die schwarze Flüssigkeit wie kochend und schäumend. Wehe dem Schwimmer, der in die Wellen geriet, er würde unweigerlich von ihnen in die Tiefe gezogen.
Und in die Tiefe mußte auch Myxin.
Er wollte die Königin töten, nur hatte er nicht vor, seine Kräfte in langen Kämpfen zu verlieren, wenn er über die Treppe der Martern schritt. Aus diesem Grunde setzte er die Kraft der Teleportation ein und schaffte sich selbst über die Kante des Abgrunds hinweg bis in die unmittelbare Hafennähe.
Und dort wartete er.
Turmhoch umgaben ihn die Felsen. Sie wirkten wie schwarze Säulen. Waren kantig, rissig, eingefurcht, glänzten dort, wo das Wasser gegen sie schlug. Sie schimmerten in den oberen Hälften geheimnisvoll wie poliertes dunkles Glas.
Halbrund war der Hafen. Zum Meer hin wuchsen die Felsen von zwei verschiedenen Seiten fast zusammen, so daß nur mehr eine kleine Lücke blieb, durch die sich ein Schiff schieben konnte.
Nur war keines da.
Auch hier unten am Strand hielt Myxin vergebens Ausschau nach Macha Rothaars Schiff. Er drehte sich sogar um, schaute die Stufen der Martertreppe hoch und sah auf ihrer Oberfläche ein geheimnisvolles Schimmern.
Der kleine Magier blieb starr stehen. Er überlegte, was dieses Schimmern bedeuten konnte. Eine Antwort fand er nicht, er stufte es als Zeichen ein und hatte richtig gedacht, denn das Schimmern war das Zeichen dafür, daß sie kam.
Macha Rothaar näherte sich!
Jedoch nicht auf der Treppe, auch nicht hinter ihr, wo das Plateau wieder in das Land hineinstach.
Sie kam vom Wasser.
Und sie schwebte in der Luft.
Am Himmel erschien ein helles Flimmern. Die Dunkelheit wurde aufgerissen, bildete eine fahle Insel, die immer weiter wanderte, je mehr sich die Königin näherte.
Goran hatte von einem Schiff berichtet. Und er hatte tatsächlich nicht gelogen.
In der Luft näherte sich dem Hafen ein gewaltiges fliegendes Schiff, das sogar Segel gesetzt hatte, die prall im Wind standen.
Selbst Myxin war in den nächsten Augenblicken fasziniert. Damit hätte er persönlich nicht gerechnet, und er sah zu, wie sich das Schiff allmählich dem Erdboden entgegensenkte und damit auch dem dunklen und schaumigen Hafenwasser.
Es landete.
Der Magier huschte einige Schritte zur Seite. Seine Füße verschwammen im weichen Sand, der wie ein welliger Teppich auf dem Boden lag und manchmal schimmerte, als wäre er mit Diamantsplittern gefüllt.
Es lag auf der Hand, daß dieses in der Luft schwebende Schiff landen wollte, denn es sank immer
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