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Dubliner (German Edition)

Dubliner (German Edition)

Titel: Dubliner (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Joyce
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D IE S CHWESTERN
    Diesmal gab es für ihn keine Hoffnung mehr: Es war sein dritter Schlaganfall. Abend für Abend war ich an dem Haus vorbeigegangen (es war Ferienzeit) und hatte das erleuchtete Fensterviereck studiert; und Abend für Abend war es in derselben Weise erleuchtet, schwach und gleichmäßig. Wenn er tot wäre, dachte ich, würde ich den Widerschein von Kerzen auf dem dunklen Rouleau sehen, denn ich wusste, dass am Kopf eines Leichnams zwei Kerzen aufgestellt werden müssen. Er hatte oft zu mir gesagt: Ich bin nicht mehr lange von dieser Welt * , aber ich hatte das für leere Worte gehalten. Jetzt wusste ich, dass sie wahr waren. Jeden Abend, wenn ich zu dem Fenster hinaufsah, flüsterte ich das Wort Paralyse * vor mich hin. Es hatte in meinen Ohren stets sonderbar geklungen, so wie das Wort Gnomon * bei Euklid oder das Wort Simonie * im Katechismus. Aber jetzt hörte es sich für mich an wie der Name eines bösen * und sündhaften Wesens. Es erfüllte mich mit Furcht, und zugleich wünschte ich ihm, näherzukommen und sein tödliches Werk zu betrachten.
    Der alte Cotter saß am Kamin und rauchte, als ich zum Abendessen herunterkam. Während meine Tante mir Haferbrei auf den Teller schöpfte, sagte er, so als knüpfe er an eine frühere Bemerkung an:
    – Nein, ich würde nicht behaupten, dass er ... aber er hatte etwas Sonderbares ... er hatte etwas Unheimliches an sich. Ich will Ihnen sagen, was ich meine ...
    Er begann mit seiner Pfeiffe zu paffen und dabei legte er sich zweifellos seine Meinung zurecht. Unausstehlicher alter Dummkopf! Als wir ihn erst kurze Zeit kannten und er von Schlempe und Kühlschlangen erzählte, fand ich ihn noch ganz interessant, aber bald hatte ich genug von ihm und seinen endlosen Geschichten von der Brennerei.
    – Ich hab da meine eigene Theorie, sagte er. Ich denke, es war einer dieser ... eigenartigen Fälle ... Aber es ist schwer zu sagen ...
    Er begann wieder an seiner Pfeife zu paffen, ohne uns seine Theorie zu verraten. Als mein Onkel sah, dass ich große Augen machte, sagte er zu mir:
    – Tja, du wirst sicher traurig sein, aber dein alter Freund ist nicht mehr.
    – Wer?, fragte ich.
    – Father Flynn.
    – Ist er tot?
    – Mr Cotter hier hat es uns gerade erzählt. Er kam zufällig am Haus vorbei.
    Ich wusste, dass ich genau beobachtet wurde, deshalb aß ich weiter, als interessierte mich die Nachricht nicht. Erklärend sagte mein Onkel zum alten Cotter:
    – Der Junge und er waren dicke Freunde. Der Alte hat ihm nämlich eine Menge beigebracht, wissen Sie, und es heißt, er war sehr um ihn bemüht.
    – Möge Gott seiner Seele gnädig sein, sagte meine Tante fromm.
    Der alte Cotter sah mich eine Weile an. Ich spürte, dass seine stechenden schwarzen Augen mich musterten, aber ich wollte ihm den Gefallen nicht tun, von meinem Teller aufzusehen. Er wandte sich wieder seiner Pfeife zu und spuckte schließlich geringschätzig in den Kamin.
    – Ich würde es nicht gerne sehen, sagte er, wenn meine Kinder sich zu viel mit so jemandem abgeben würden.
    – Was meinen Sie damit, Mr Cotter?, fragte meine Tante.
    – Ich meine damit, sagte der alte Cotter, dass es Kindern nicht guttut. Meiner Meinung nach sollte ein junger Bursche mit gleichaltrigen Burschen herumrennen und spielen, anstatt ... Hab ich nicht recht, Jack?
    – Das ist auch mein Grundsatz, bestätigte mein Onkel. Er soll lernen, sich durchzuboxen. Das sage ich diesem Rosenkreuzer * da auch immer: Beweg dich! Als ich so jung war, habe ich jeden Morgen kalt gebadet, winters wie sommers. Das kommt mir jetzt noch zustatten. Bildung ist ja schön und gut ... Vielleicht möchte Mr Cotter etwas von der Hammelkeule, sagte er dann zu meiner Tante gewandt.
    – Nein, nein, vielen Dank, sagte der alte Cotter.
    Meine Tante holte die Platte aus dem Vorratsschrank und stellte sie auf den Tisch.
    – Aber warum meinen Sie, dass es für Kinder nicht gut ist, Mr Cotter?, fragte sie.
    – Es ist schlecht für sie, erklärte der alte Cotter, weil sie so leicht zu beeinflussen sind. Wenn Kinder so was sehen, wissen Sie, dann hat das Folgen ...
    Ich stopfte mir den Mund mit Haferbrei voll, aus Angst, ich könnte vor Wut etwas sagen. Unausstehlicher rotnasiger alter Trottel!
    Es war spät, als ich einschlief. Obwohl ich auf den alten Cotter wütend war, weil er von mir wie von einem Kind sprach, zerbrach ich mir meinen Kopf, um in seinen unvollendeten Sätzen eine Bedeutung zu finden. In der Dunkelheit meines Zimmers bildete ich

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