0364 - Shimadas Höllenschloß
nach. »Hatten sie besondere Augen?«
»Nein, nur die Köpfe waren anders. Sie glichen denen… also, ich meine, sie glichen denen von Menschen!«
Jetzt war es heraus, und auch ich hielt die Luft an, wobei ich zudem noch hart schluckte.
Vögel mit Menschenköpfen! Damit hätte ich auch nicht gerechnet.
Sicherheitshalber wollte ich mich von Alis Aussage noch einmal überzeugen und fragte nach. »Du bist dir sicher, dich nicht getäuscht zu haben?«
»Es ist die Wahrheit, John.«
»Bitte, erzähle weiter, was noch passierte.«
»Sie schauten mich so seltsam an. Nur mir starrten sie ins Gesicht. Ihre Augen waren so tot. Nur schwarze Punkte in den fremden Gesichtern.«
»Wie fremd?«
»So wie die Japaner aussehen.«
»Okay, weiter.«
»Dann spürte ich es. Ich bekam plötzlich Kontakt mit den Tieren. Sie gaben mir Befehle.«
»Die du befolgt hast?«
»Ja, sie sprachen von einem Shimada, und daß ich ihm gehorchen müßte, weil er eine Botschaft für mich bereithielte.«
»Wie lautete die?«
»Töten! Ich sollte mich selbst töten. Wenn das geschieht, wäre alles gut. Dann hätte ich meinen Seelenfrieden, sonst würde ich einen grausamen Terror erleben.«
»War der Einfluß so stark, daß du dich ihm nicht entziehen konntest?«
»Noch stärker.« Ali schüttelte den Kopf, als würde ihm erst jetzt klar, was er alles getan hatte. »Ich stand also auf und gehorchte den Befehlen der anderen. Sie hatten mir gesagt, daß ich ein Messer nehmen sollte. Es ist mein Schnitzmesser, ich hatte es mitgebracht, weil ich gern an Figuren arbeite. Ich trat an den Schrank, öffnete ihn, nahm das Messer hervor, ging wieder zum Bett zurück, ließ mich nieder und wurde gezwungen, zum Fenster zu schauen.«
»Und dann gab man dir den Befehl.«
»Ja, sie wollten, daß ich mich töte, damit der große Shimada meine Seele bekommen könnte.«
»Warum hast du es nicht getan?«
Ali blickte mich irgendwie verträumt an. »Ja«, sagte er und wiederholte murmelnd. »Warum habe ich es nicht getan? Ich weiß es einfach nicht. Etwas störte die Vögel.«
»Vielleicht mein Klopfen?«
»Das kann sein.«
»Ich habe zweimal angeklopft. Du hast es überhört.«
»Bestimmt, John.«
»Na ja, jetzt ist ja alles gut. Wir haben es geschafft, mein Lieber. Du lebst, ich lebe, was willst du mehr?«
»Aber sie können wiederkommen, fürchte ich.«
»Rechnen kann man damit, doch ich will es nicht hoffen.«
»Kannst du etwas dagegen tun?«
Ich drückte mich von der einfachen Liegestatt hoch. »Deshalb bin ich gekommen. Ich werde zusammen mit Yakup versuchen, das Grauen zu stoppen. Wir befinden uns zwar hier in einem Kloster, sind aber trotzdem nicht in Sicherheit. Es ist etwas geschehen, das ich dir nicht verheimlichen will.«
»Was Schlimmes?« fragte Ali leise.
Am Stehpult blieb ich und legte meine Hände auf die Platte. Ich konnte durch das Fenster schauen und entdeckte auch die dünnen bläulichen Schwaden.
Das Höllenschloß stand also noch. Und kein Mönch hatte dagegen etwas unternommen oder war in Panik verfallen. Die Männer hier hatten sich ausgezeichnet in der Gewalt. Vielleicht handelten sie auch nur, wenn Yakup es anordnete.
»John, bitte…«
»Entschuldige, Ali, ich war in Gedanken. Shimada und sein Höllenschloß sind aus dem Strudel der Zeiten aufgetaucht und direkt in unserer Nähe erschienen. Man nennt das Schloß auch die blaue Festung. Wahrscheinlich sind die Vögel, die du gesehen hast, von dort gekommen, um dich in ihre Gewalt zu bekommen.«
Ali erschrak. »Dann befinden wir uns in Gefahr?«
»Nein, so sehe ich das nicht. Yakup und ich werden versuchen, diese Dinge abzuwenden.«
»Sofort?«
Ich gab ihm recht.
Ali stand auf. Er trat ans Fenster, schaute hinaus, und als er sich wieder umdrehte, war sein Gesicht blaß geworden. »Ich habe dieses Schloß nicht gesehen, aber ich sah den blauen Nebel um unser Kloster wallen. Hat er etwas damit zu tun?«
»Ja, er ist der Begleiter durch die Zeiten. Das Schloß erscheint nie ohne den Nebel. So jedenfalls hat mir Yakup berichtet. Er kennt sich gut aus, und ich bin sicher, daß wir Shimada stoppen können.«
»Weshalb ist er überhaupt gekommen?« wollte Ali wissen.
»Er will sich rächen und wahrscheinlich endgültig das Kloster in seinen Besitz bringen.«
»Was habt ihr ihm getan?«
»Es ist eine lange Geschichte«, erwiderte ich. »Und es kommt dabei vieles zusammen. Vielleicht werden Yakup oder ich dir später etwas Genaueres darüber sagen. Für heute will
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