0364 - Shimadas Höllenschloß
einen Menschen zum Wahnsinn treiben konnte. Bisher hatten wir davon wenig gemerkt, es kam mir viel mehr vor, wie die Ruhe vor dem Sturm. Irgend etwas würde und mußte einfach passieren, sonst wäre es nicht dieser Todesgarten gewesen.
Vielleicht mußte man es auch irgendwie provozieren, und ich schlug vor, uns zu trennen.
Yakup hatte meine Worte gehört. Er wollte sich dazu äußern, drehte sich um und war im nächsten Augenblick verschwunden. So blitzschnell, daß ich es kaum begreifen konnte. Ich streckte noch meine Hand aus, sie griff ins Leere, und ich wußte plötzlich, daß dieser Todesgarten doch nicht so harmlos war, wie es zu Beginn ausgesehen hatte.
Für einen Moment stand ich regungslos und konzentrierte mich auf die Gänsehaut, die über meinen Rücken rann. Yakup war verschwunden. Es hatte keinen Sinn, ihm nachzuweinen oder nachzuschreien. Ich mußte mich schon allein durchkämpfen, die Richtung war nicht zu verfehlen. Ich würde mir Shimadas Höllenschloß schon von innen anschauen.
Durch diesen Vorsatz gestärkt, setzte ich meinen Weg fort.
Lücken im Nebel gab es nicht. Manchmal hingen die Schwaden schräg, so daß sie mir vorkamen wie dunkle Fischernetze. Nirgendwo sah ich Bewegungen, dennoch war ich davon überzeugt, daß es sie geben mußte. Vielleicht innerhalb des Bodens, über den ich schritt.
Er war nicht hart und gefroren, sondern weich, manchmal sogar nachgiebig, aber nie sumpfig.
Vergebens hielt ich nach meinem Freund Yakup Ausschau. Ich vernahm auch keinerlei Kampfgeräusche, die Stille war einfach dicht.
Sehr vorsichtig bewegte ich mich, passierte einen Baum, ohne daß etwas geschah, sah auch weiter vorn wieder nur die tanzenden Schleier und blickte ebenfalls zu Boden.
Dort tat sich etwas.
Ob es Beete oder Felder waren, ich hatte keine Ahnung. Jedenfalls lag der Nebel dort nicht mehr so dicht. Als dünne Schwaden kroch er über die Gegenstände, die sich vom Untergrund abhoben.
Kugeln…
Das dachte ich zuerst auch. Bis ich mich bückte und eine der Kugeln angefaßt hatte.
Meine Hände gerieten dabei in verfilzte, klebrige Haare, und ich wußte plötzlich daß es keine Kugeln waren, die aus dem Boden wuchsen, sondern Köpfe…
***
Es war eine Kraft gewesen, die selbst Yakup Yalcinkaya nicht unter Kontrolle bekam. Urplötzlich hob ihn etwas an und schleuderte ihn in die Nebel hinein.
Nun war Yakup kein Mensch, der vor Angst schrie, auch hier preßte er die Lippen zusammen, obwohl ihm sein Flug schon auf eine gewisse Art und Weise unheimlich war.
Er kam sich vor, wie von unsichtbaren Flügeln getragen. Sie schoben ihn weiter in den Nebel hinein, so daß sich Yakup vorkam, wie von blauen Schleiern umspült.
Hin und wieder sah er die langen Fetzen. Sie erinnerten ihn an Tücher, er wollte hingreifen, tat dies auch, aber er konnte nie ein Tuch zwischen die Finger bekommen, weil eben kein Widerstand vorhanden war.
Eine Reise durch den blauen Nebel, hinein in den vielarmigen Dunst, dies geschah mit Yakup Yalcinkaya, und dabei hatte er das Gefühl, Zeiten zu überwinden.
Er überwand weder Zeiten noch Räume. Yakup blieb in der Welt, aus der er kam.
Aber er hatte ein anderes Ziel gefunden.
Das Höllenschloß!
Nichts war mehr von dem dichten blauen Nebel zu sehen. Praktisch ohne Übergang war die Luft rein und klar geworden. Dabei spürte er nicht einmal den Hauch des Bösen, dafür nahm er die schon als grandios zu bezeichnende Weite des Schlosses voll in sich auf.
Yakup stand in einer riesigen Halle.
So groß, wie sich diese Halle ihm allein präsentierte, war das gesamte Schloß nicht. Die Maße konnte er kaum schätzen. Die Decke besaß eine hängende Konstruktion, kein Pfeiler war da, der sie stützte. Als Mensch mußte man sich verloren vorkommen.
Ein dunkler Boden bedeckte die Halle. Hin und wieder glitzerten goldene Pailletten im Stein, und auch die Wände zeigten nicht mehr Helligkeit, denn direkte Lichtquellen waren keine vorhanden.
Dennoch konnte er etwas sehen.
Es war einfach die Atmosphäre, die dafür sorgte. Vielleicht waren die einzelnen Luftpartikel so angeordnet, daß sie Licht abgeben konnten, und Yakup ging, als er die erste Überraschung hinter sich gebracht hatte, mit bedächtigen Schritten vor.
Daß er in dieser Halle gelandet war, mußte seinen bestimmten Grund gehabt haben. Sein großer Gegner Shimada tat nichts ohne Motiv. Vielleicht wollte er hier, in diesem Kampfsaal, die endgültige Entscheidung, und auch der Türke wäre nicht abgeneigt
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