0366 - Er kam aus der Tiefe
Palast kommt…
Denn dorthinein mußte er, wenn er Sara Moon treffen und sie mehr oder weniger zwangsweise überreden wollte, mitzukommen nach Caermardhin…
Er griff an seinen Gürtel, dorthin, wo er die prall gefüllte Geldkatze wußte. Bloß war die nicht mehr da, aber eine säuberlich mit einem äußerst scharfen Messer durchtrennte Schnur, an der sie gebaumelt hatte.
»Verflixt«, knurrte er entgeistert und entsann sich des leichten Ruckes, dem er keine Beachtung geschenkt hatte. »Ich bin bestohlen worden! Mein Geld ist fort!«
Zwanzig echte Goldstücke aus Merlins Schatzkammer, die Sid Amos ihm nebst der restlichen Ausrüstung mitgegeben hatte! Und jetzt war dieser Beutel verschwunden! Zamorra war blank.
»Das ganze Geld?« fragte Li gedehnt. Plötzlich war sie gar nicht mehr so anschmiegsam und freundlich, sondern mißtrauisch. Der schweigsame Sklave hinter der Theke spitzte die Ohren.
Zu allem Überfluß kamen gerade in diesem Moment drei kräftig aussehende junge Burschen herein, die sich zu einer kurzen Unterhaltung, zum Würfelspiel und zu Bier und Wein und Feuerwasser niederlassen wollten, eindeutige Handgreiflichkeiten zu Li eingeschlossen.
»Du kannst also nicht bezahlen«, stellte Li fest. »Weder für dein reichhaltiges Mittagsmahl noch für den Wein.«
Zamorra erhob sich. Auf seiner Stirn entstand eine steile Falte. Er fühlte sich unbehaglich, denn er war kein Zechpreller und wollte auch keiner werden. »Ich zahle später«, versprach er. »Erst muß ich sehen, daß ich meine Geldkatze zurückbekomme. Weit kann der Dieb noch nicht sein.«
Einer der jungen Männer, die die Unterhaltung natürlich mitbekamen, lachte spöttisch auf. »Mir scheint, Fremdling, Ihr unterschätzt die Geschwindigkeit von Diebesfüßeñ - so es sie gibt«, sagte er.
Zamorra schenkte ihm einen grimmig-drohenden Blick, verzichtete aber auf eine Antwort. Er mußte den Dieb erwischen. Auch wenn sein Aufenthalt in Ash’Cant nicht von langer Dauer sein würde, wollte er doch nicht den Eindruck hinterlassen, ein unehrenhafter Spitzbube zu sein. Er mußte den Dieb aufspüren. Mit dem Amulett würde es ihm wohl gelingen. Denn daß jener sich magisch abschirmte, war höchst unwahrscheinlich.
Die anderen schienen aber nicht der Ansicht zu sein, daß Zamorra in ein paar Stunden wieder zahlungsfähig sein würde.
»Man hört von Leuten«, sagte Li laut und war nun gar kein anschmiegsames Kätzchen mehr, sondern ein Raubtier, »die ohne einen roten Heller in der Tasche in eine Schänke kommen, fürstlich speisen und trinken und dann mit einer faulen Ausrede verschwinden wollen, ohne zu bezahlen, Palo!«
Es hätte ihrer Aufforderung nicht erst bedurft. Der schweigsame Sklave tauchte bereits vor der Theke auf, rollte mit den Augen und ließ die Muskeln spielen. Seine Absicht war klar.
Zamorra starrte ihn aus schmalen Augen an und überlegte, ob er es auf einen Kampf ankommen lassen sollte. Gegen den muskelbepackten, dunkelhäutigen Riesen rechnete er sich Chancen aus. Aber da waren auch noch die drei jungen Burschen. Die schienen Stammgäste zu sein und wollten sich auf die Seite des Wirtshauses stellen. Ihre Hände lagen in verdächtiger Nähe der Messer, und in einer dieser Waffen erkannte Zamorra einen Wurfdolch. Der Kerl brauchte nicht einmal nah heran zu kommen…
Verprügeln lassen wollte Zamorra sich allerdings auch nicht, geschweige denn sich hinterher seiner restlichen Habe, vornehmlich des bestimmt verlockenden Amuletts, entledigen lassen als Bezahlung für seine Mahlzeit. Er hob abwehrend die Hände.
»Wartet einen Moment, Freunde«, sagte er. »Was ist das eigentlich da drüben…?« Er fixierte einen imaginären Punkt hinter Li. Dort war eigentlich nichts außer einem Fenster.
Aber Li und der Sklave fuhren herum. Im gleichen Moment machte Zamorra einen waghalsigen Sprung zur Tür und erreichte sie, ehe die anderen begriffen, daß sie genarrt wurden. Er stieß sie nach außen auf, stürmte hinaus und prallte mit einem dürren Mann zusammen, der einen Korb auf dem Kopf balancierte. Mann und Korb kamen zu Fall, und der Inhalt des letzteren rollte über Gehsteig und Straße. Zamorra bedauerte das Mißgeschick des Mannes ehrlich, aber es ließ sich nichts mehr daran ändern.
»Ich zahle später«, schrie er zur Gaststube zurück und spurtete los. Hinter ihm stürmte der Mann mit dem Wurfmesser aus der Tür, stürzte über den Dürren, der sich gerade fluchend und zeternd erhob, und verlor wertvolle Sekunden.
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