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0366 - Er kam aus der Tiefe

0366 - Er kam aus der Tiefe

Titel: 0366 - Er kam aus der Tiefe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Kurt Giesa
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Li lächelte.
    Es war noch nicht ganz Mittag, und dementsprechend gering war der Betrieb in der Schankstube. Außer Zamorra gab es nur noch einen anderen Gast; einen alten Mann, der sogar möglicherweise noch vom vorigen Abend übriggeblieben war. Er hockte in einer Nische und schnarchte nicht gerade leise vor sich hin.
    So konnte Zamorra die Aufmerksamkeiten der Bedienung ganz allein genießen, ob er nun wollte oder nicht. Vom Wirt war nichts zu sehen. Hinter der breiten Theke stand ein schweigsamer Sklave, und das Mädchen bediente Zamorra mit Speise, Getränk und Küssen. Bei letzteren war ihm recht zwiespältig zumute - zum einen wäre er nicht Mann gewesen, hätte er die kleinen Zärtlichkeiten nicht genossen, zum anderen aber liebte er seine Gefährtin Nicole und wollte weder sie betrügen, noch diesem Mädchen falsche Hoffnungen machen. Dabei hatte Li bereits angedeutet, daß sie ein kleines Kämmerchen mit einem weichen Bett habe, das für eine Person allein viel zu groß sei. Falls er also noch bis zum anderen Tag in der Stadt verweilen wolle…
    Die Kolonne kam näher. Jetzt konnte Zamorra erkennen, daß die Fußgänger durchaus keine Sklaven waren, sondern schillernd bunt gekleidete Musikanten. Erst dahinter, bis dahin von den Musikanten verdeckt gewesen, marschierten die Sklaven, die eine große Sänfte mit einem prunkvollen Baldachin trugen. Jeder der vier Eckpfosten wurde von einer kleinen glitzernden Krone geziert. Der Wert mußte beträchtlich sein, und wenn die Geldkatze an Zamorras Gürtel nicht recht prall gefüllt gewesen wäre, hätte ihn der blanke Neid gepackt.
    Li griff nach Zamorras Arm und legte ihn sich um die schlanke Taille, unter der ein schmaler Lendenschurz ihre einzige Bekleidung darstellte, wenn man von etwas Schmuck absah.
    »An jedem Siebentag besucht der König selbst den Markt«, sagte sie.
    »Dann ist das da also sein Gefolge, ja?« schlußfolgerte Zamorra gelassen. »Sie kommen direkt hier an der Schänke vorbei. Schön. Nicht alle Tage sieht man einen König aus der Nähe.«
    Er dachte an seinen Auftrag, der ihn zwangsläufig in die Nähe des Königs bringen mußte. Er war sich zwar noch nicht ganz sicher, ob Sid Amos’ Behauptung tatsächlich stimmte, aber er würde es herausfinden. Und vielleicht erhielt er jetzt schon wichtige Hinweise, ohne erst in den Palast vorstoßen zu müssen, der sich im Zentrum der Stadt Faronar erhob.
    Jetzt war die Kolonne heran. In der Mitte der Reiter sah Zamorra einen Mann, der vielleicht vierzig Jahre alt war, keine Uniform trug, sondern eine weiße Tunika, und der statt eines Reitersäbels nur einen Dolch an der Seite hängen hatte. Der Griff war mit Diamanten besetzt, und unter der Tunika lugten die Metallschuppen eines Kettenhemdes hervor.
    »Das ist er«, flüsterte Li ergriffen.
    »Wer - der König?« Li nickte. »Er reitet immer inmitten seiner Offiziere.«
    »Und wer zum Teufel befindet sich dann in der Sänfte? Seine Leibwache?« fragte Zamorra sarkastisch.
    Li antwortete nicht. Anscheinend wußte sie es selbst nicht.
    An den Straßenrändern tauchten jetzt Menschen auf. Männer, Frauen und Kinder, die sich ausnahmslos ehrfürchtig verneigten, als der König mit seiner Eskorte an ihnen vorüber ritt. Plötzlich hob der König die Hand.
    »Halt!« gellte ein Befehl, und der Zug stoppte. Die schweißüberströmten Sklaven erhielten die Erlaubnis, die Sänfte vorsichtig abzusetzen. Zwei Offiziere sprangen von ihren Pferden. Sie erklommen den hölzernen Gehsteig und marschierten direkt auf den Eingang der Schänke zu.
    »Sie kommen hierher!« wisperte Li erschrocken. »Was mögen sie wollen?«
    »Was wohl?« brummte Zamorra. »Einen Humpen Bier und einige deiner zärtlichen Küsse.«
    Die Tür wurde nach innen aufgestoßen. Die beiden Männer polterten mit knallenden Stiefeln herein. Im Innern der Schänke funkelten Harnische und Helme nicht ganz so sehr wie draußen im hellen Sonnenlicht unter dem rötlichen Himmel, aber Zamorras kundiges Auge registrierte dennoch, daß die Goldauflagen echt waren. Seine Majestät schien Geld wie Heu zu haben, daß er seine Gardisten so prächtig ausrüsten konnte.
    Die beiden Offiziere, die Gesichter hinter den Helmen nahezu unkenntlich, sahen sich prüfend um. Einer winkte dem schweigsamen Sklaven hinter der Theke.
    »Einen Krug Wein für Seine Majestät«, befahl er laut. »Hurtig. Nimm dies dafür!«
    Eine Goldmünze flog über die Luft.
    Mit einer blitzschnellen Bewegung fing der Sklave sie auf,

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