0367 - Der Hexenbaum
Ash’Cant zurückgekehrt war, war noch nach der Sitte der dortigen Städte gekleidet und bewaffnet und hatte natürlich noch keine Gelegenheit gehabt, sich umzukleiden. Nun, in seiner mittelalterlichen Kleidung mochte er als Ausgeflippter noch durchgehen, aber mit dem Schwert in der Stadt aufzutauchen, wäre doch etwas zu ungewöhnlich. Und die Goldmünzen, die in Ash’Cant gültige Zahlungsmittel waren, konnte ihm in San Francisco kaum von Nutzen sein…
Er schnallte den Schwertgurt ab und ließ ihn einfach fallen, wo er stand. »Wo ist der Dimensionstunnel? Schnell…«
Er wollte keine Sekunde verlieren.
Er wollte Nicole helfen.
»Du weißt ja nicht einmal, wo sie sich befindet«, sagte Amos hastig. »Laß mich dir wenigstens den Weg zeigen, den sie genommen hat…«
Zamorra schlug mit der flachen Hand vor sein vor der Brust hängendes Amulett. »Es wird mir den Weg zu Nicole zeigen«, sagte er. »Und zwar perfekter, als du ihn mir beschreiben könntest…«
Nicht einmal eine Minute später nahm ihn der Dimensionstunnel auf, den schon Nicole benutzt hatte, und gab ihn in jenem Park mitten in San Francisco wieder frei.
Zamorra brauchte nicht lange, um das Amulett auf Nicole einzustellen. Ob sie tot war oder lebendig, er würde sie finden.
Entschlossen verließ er den Park und hielt, die Dollar-Börse in der Hand, Ausschau nach einem Taxi…
***
Leonardo deMontagne hatte fast einen Schock erlitten, als er erkannte, daß das Amulett nicht abschaltbar war. Erstens hatte das Auftauchen Nicole Duvals ihn maßlos überrascht und zum anderen diese Amulett-Abschirmung. Nein, er hatte es ja nicht einmal gespürt, als Nicole damit in seiner Nähe erschien!
Der Fürst der Finsternis war entsetzt.
Wild hatte er mit seiner Magie um sich geschlagen, unkonzentriert irgend etwas getan, und war dabei in die Hölle zurückgekehrt. Es war ihm gleichgültig, wie groß die Zone der Vernichtung war und was seine Kraft ausgelöst hatte. Er wollte nur in die Relative Sicherheit seiner höllischen Residenz zurück.
Er sank auf seinem Knochenthron nieder. Er brauchte Zeit und Ruhe, sich zu erholen. Und er wünschte Eysenbeiß die Pest an den Hals dafür, daß er ihn mit seinem Befehl in diese überraschende und fatale Situation gebracht hatte.
Zum ersten Mal in seiner Existenz war Leonardo deMontagne nachhaltig verunsichert.
***
Magnus Friedensreich Eysenbeiß entging Leonardos überhastete und verwirrte Rückkehr durchaus nicht. Bei der Hexenweihe und der rituellen Opferung Su Lings mußte etwas Ungewöhnliches geschehen sein. Was aber konnte es sein, das den Fürsten der Finsternis dermaßen in Verwirrung versetzte?
Er mußte das überprüfen!
Nicht nur, weil er sich davon weitere Vorteile gegenüber Loenardo erhoffte, sondern auch, weil es wichtig sein konnte zu erfahren, was dem Fürsten der Finsternis so sehr zugesetzt hatte. Wenn dort eine dämonenbekämpfende Waffe eingesetzt worden war, konnte sie Eysenbeiß selbst nicht schaden, denn er war kein Dämon.
Er verließ die Hölle und suchte den Ort des Geschehens auf.
Überrascht nahm er die Veränderungen wahr, die sich hier abgespielt haben mußten. Er sah ein paar Autos, die mehr oder weniger beschädigt worden waren. Er sah eine glatte Felsenplatte, die so unnatürlich wirkte, daß sie durch magische Einwirkung entstanden sein mußte. Eysenbeiß hatte sich diese Gegend früher nie angesehen, aber die Felsenebene, glatt wie eine Landebahn für Flugzeuge, hatte es hier früher garantiert nicht gegeben.
Auch nicht das, was sich auf dieser Platte befand…
Eine gefesselte Chinesin lag da auf dem kahlen Felsboden, und nicht weit davon entfernt eine junge Frau, die er als Nicole Duval erkannte. Sie umklammerte ein Amulett.
Nicole Duval hier? Dann war auch Zamorra nicht weit!
Eysenbeiß witterte mißtrauisch. Er versuchte, Zamorras Nähe zu ertasten. Aber er konnte ihn nicht spüren. Tarnte der Meister des Übersinnlichen sich? Und welche Energie war hier entfesselt worden?
Eysenbeiß legte es nicht auf eine Auseinandersetzung mit Zamorra an. Nicht hier, wo er momentan keine Vorteile hatte. So sah er sich etwas hastiger um.
Er spürte die verwehenden Geistesimpulse dreier Hexen, die mit der Felsplatte verschmolzen worden waren. Sie waren zu einer unauflösbaren Einheit mit dem Steinboden geworden. Und es würde nicht mehr lange dauern, bis sie endgültig verloschen.
Ihre Seelen waren auf dem Weg zur Hölle. Sie waren dem Teufel, dem sie im Leben gedient hatten,
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