037 - Die seltsame Gräfin
ärgerlich.
Dorn lächelte und streckte seine Hand gerade aus.
»Sehen Sie das?« fragte er. »Passen Sie mal auf.«
Wie es kam, konnte Tappatt nicht sehen oder sich auch nur im mindesten erklären, aber obwohl Dorn die Hand nicht bewegt hatte, hielt er plötzlich eine kurze, schwerkalibrige Browningpistole in der Hand.
»Wie haben Sie das bloß gemacht?« staunte er. »Sie hatten sie schon immer in der Hand -«
»Nein - die Pistole kam aus meiner Tasche«, lachte Michael. Er liebte es, durch seine Taschenspielerkunststückchen anderen Furcht einzujagen.
»Ich möchte schwören, daß sie nicht in Ihrer Tasche war!«
»Passen Sie auf!«
Wieder streckte er die Hand mit der Pistole aus. Eine unauffällige Bewegung - ob nach oben oder nach rückwärts, konnte Tappatt nicht sagen -, und die Pistole war wieder verschwunden.
»Da ist eben ein Trick dabei«, sagte Dorn gleichgültig. »Und wenn Sie die Hundesprache sprechen können, dann erklären Sie Ihren Bestien, daß sie mich besser in Ruhe lassen. Aber ich erinnere mich - Hundehetzen ist doch immer Ihre Spezialität gewesen? War nicht in Bengalen einmal ein großer Skandal wegen eines Patienten, der von den Hunden zerrissen wurde?«
Der Doktor schaute zur Seite.
»Warum liegen eigentlich die Hunde jetzt an der Kette?«
»Ich habe sie meistens angeschlossen.«
»Aber letzte Nacht waren sie doch frei - Sie wissen ja, daß ich mich in der Nähe aufgehalten habe. Dagegen waren sie heute morgen um vier Uhr wieder festgemacht, und das scheint doch nicht die richtige Zeit zu sein, sie an die Kette zu legen. Warum haben Sie das getan?«
Tappatt schwieg. Dorn war um vier Uhr morgens zurückgekommen! Er hatte also die Menschen nicht mehr gesehen, die Gallows Farm verließen und querfeldein gingen.
»Soll ich Ihnen sagen, warum?« fragte Dorn wieder.
»Sie haben ja ein außerordentliches Bedürfnis, mir Mitteilungen zu machen«, knurrte der Doktor.
»Sie haben die Hunde an die Kette gelegt, weil Sie die beiden Frauen in der vergangenen Nacht aus dem Haus geschafft haben. Sie mußten über den Hof gehen, und das konnte nur geschehen, wenn die Hunde nicht frei umherliefen. Bitte sagen Sie es, wenn ich nicht recht habe. Sie sind hier auf diesem Weg hinausgegangen, und auf diesem Weg werden sie auch zurückkommen.«
Dr. Tappatts Gesicht wurde lang. Das war eine Entwicklung zu seinen Ungunsten. Er hatte erwartet, daß Dorn sich mit der Durchsuchung zufriedengeben und dann das Gehöft wieder verlassen würde. Sein Plan klappte nicht so, wie er gedacht hatte.
»Sie können mich zum Frühstück einladen - ich bleibe so lange, bis die beiden Frauen zurückkommen.«
»Ich schwöre Ihnen, daß ich nichts von den Frauen weiß, von denen Sie da fabeln«, protestierte Tappatt heftig. »Sie irren sich, Dorn, außerdem haben Sie überhaupt kein Recht hier zu sein - das weiß ich!«
»Ich irre mich niemals«, sagte Dorn herausfordernd, »und ich habe volle Berechtigung, hier zu sein und zu bleiben. Es ist die erste Pflicht eines Staatsbürgers, Verbrechen zu vereiteln, und die erste Pflicht eines Gastgebers ist es, seinen Gast einzuladen, wenn er hungrig ist. Nun laden Sie mich eben zum Frühstück ein und während des netten Essens will ich Ihnen dann noch verschiedenes erzählen, was Sie sehr interessieren und belustigen wird.«
Tappatt schaute verwirrt zur Seite. Jetzt saß er in der Falle. Seine List hatte nicht nur versagt, sondern sich sogar gegen ihn selbst gekehrt. Dorn beobachtete ihn unauffällig von der Seite und bemerkte, daß er schwer atmete. Mit Befriedigung sah er, daß er ihm einen Schrecken eingejagt hatte.
»Sie können nicht hier bleiben. Ich kann Sie nicht gebrauchen«, rief Tappatt ärgerlich. »Diese wahnsinnige Geschichte, daß zwei Frauen in meinem Haus sein sollen, ist irgendeine Mondscheinphantasie von Ihnen. Das wissen Sie auch ganz genau. Ich gebe Ihnen eine Minute Zeit, das Gehöft zu verlassen! Denken Sie doch ja nicht, daß ich mich von Ihnen bluffen lasse!«
Michael lachte leise.
»Nun, was wird denn passieren, wenn ich nicht fortgehe? Wollen Sie zur Polizei schicken? Damit wäre doch der Polizei die Möglichkeit gegeben, einmal die ganze Gegend gründlich abzusuchen und Sie zu überführen. Denken Sie doch nur an den scharfen Polizeikommissar, der damals Ihre Anstalt in den Nordwestprovinzen in Indien schloß. Sie wären damals fünf Jahre ins Delhi-Gefängnis gesperrt worden, wenn sich die Regierung etwas schneller entschlossen hätte.
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