0388 - Satans Ungeheuer
Aufgabe, Besuch anzumelden. Er läßt nach, der alte Herr.« Was allerdings kein Wunder war - Raffael hatte schon vor fast zehn Jahren die Pensionsgrenze überschritten, bloß ließ er sich einfach nicht pensionieren. Er war ein Mann, der am Rentnerdasein sterben würde, er brauchte einfach seine Arbeit.
»Oh, ich habe ihm gesagt, daß ich mich selbst anmelde«, sagte Nadine Lafitte. »Immerhin bin ich ja schon oft genug hier gewesen und kenne mich aus. Was feiert ihr denn?«
»Den Sommer«, verkündete Nicole.
»Setzen wir uns drüben in den Schatten?«
Sie gingen zu den Gartensesseln um den kleinen runden Tisch hinüber; Zamorra brachte das Tablett mit. »Ich werde Raffael bitten, daß er noch ein Glas mitbringt… du trinkst doch mit, Nadine?«
Die junge Frau nickte lächelnd. Zamorra verschwand in Richtung Seitentrakt. Ein paar Minuten später erschien er wieder, lässig in Hemd und Shorts gekleidet, und von Raffael gefolgt, der sich nun vorsichtig daran machte, die Sektflasche zu öffnen.
»Was bringt dich zu so früher Stunde zu uns, Nadine?« wollte Zamorra wissen. Nadine Lafitte lächelte. »Frühe Stunde? Es ist Mittag… und ein langer Weg zu Fuß nach hier oben, aber so ein Spaziergang ist manchmal auch ganz schön.«
»Ihr habt doch ein Auto«, schmunzelte Nicole.
»Schon, aber das hat Pascal mit zur Arbeit. Und ich wollte nicht warten, bis er wieder hier ist.«
Sie öffnete ihre Umhängetasche, die sie neben den Gartensessel gestellt hatte und die allem Anschein nach einen gewichtigen Inhalt barg. Eine Plastiktüte, zugeknotet, kam zum Vorschein. Nadine reichte sie Zamorra. »Schau dir das mal an«, sagte sie. »Ich bin sicher, daß du so etwas wahrscheinlich noch nicht gesehen hast. Keine Sorge, diesmal schleppe ich dir kein Kuckucksei ins Nest - hoffe ich.« Sie spielte auf die Dämonin Angela an, die Nadine und Pascal Lafitte vor kurzem anläßlich einer von Zamorras Parties mit ins Château gebracht hatte. Eine Dämonin, die den Schutzschirm hatte durchschreiten und sogar umpolen können. Angela hatte die Lafittes hypnotisiert und sie gezwungen, sie zu Zamorra zu bringen. [2]
Zamorra öffnete die Tüte. Etwas Haariges befand sich darin. Er kippte es auf die Steinfliesen. Ein Kaninchen oder ein Fuchs… nein. Nicht ganz so groß. Aber…
Er pfiff durch die Zähne. »Das ist eine Ratte, oder? Aber eine, die Riesenwuchs aufweist…«
Nadine nickte.
Nicole war aufgesprungen. Auch Raffael hielt in seiner Tätigkeit inne und starrte die Ratte an - die Riesenratte. Sie war fast dreimal so groß, als sie es eigentlich hätte sein dürfen.
»Wo habt ihr das Biest her?« fragte Zamorra.
»Pascal hat es unten an der Loire erschlagen. Wir waren gestern abend unten. Ein Stück südlich vom Dorf. Nicht weit von eurem privaten FKK-Strand entfernt.« Sie lächelte Zamorra und Nicole zu. Die besagte Stelle war ein flaches, sandiges Uferstück, rundum von Büschen und Bäumen umgeben und schwer einzusehen; es bot sich förmlich für den genannten Zweck an, und Zamorra war sicher, daß nicht nur Nicole und er sich dort zuweilen einfanden…
»Vor ein paar Tagen schleppte Fenrir eine riesen wüchsige Maus an«, sagte Zamorra. »Sie war so groß, wie diese Ratte eigentlich sein sollte. Er erzählte auch von einem Spatz in Rabengröße.«
»Auch an derselben Stelle gefunden?« fragte Nicole.
Zamorra nickte.
»Davon hast du mir aber nichts erzählt«, hielt sie ihm vor.
»Vergessen, verdrängt… Fenrir hat das Mausevieh draußen im Gelände eingescharrt. Aber diese Häufung gibt mir jetzt zu denken.« Er sprach von seinem Verdacht auf Flußvergiftung.
»Schwer denkbar«, wehrte Nicole ab. »Dann würde es Fische mit Riesenwuchs geben, aber keine Land- und Lufttiere. Da muß etwas anderes hinter stecken.«
»Deshalb bin ich mit dieser Ratte hierher gekommen«, sagte Nadine. Sie nippte am Sekt, den Raffael ihr gereicht hatte. »Ich dachte mir, daß ihr doch Spezialisten für alles Ungewöhnliche seid.«
»Du glaubst an eine… dämonische oder schwarzmagische Einwirkung?« fragte Zamorra.
Nadine zuckte mit den Schultern. »Vielleicht«, sagte sie. »Ich weiß es nicht. Du bist der Experte, Professor.«
Der Experte seufzte. »Schade. Ich hatte gehofft, wir hätten wenigstens diesmal ein paar Tage länger Ruhe. Aber kaum zu Hause, geht es schon wieder los. Der Teufel soll es doch alles holen.«
»Tut mir leid, Zamorra…« wandte Nadine ein.
»Es braucht dir nicht leid zu tun«, wehrte Zamorra ab.
Weitere Kostenlose Bücher