0396 - Wer erstach Jerry Cotton?
Kopf.
»Müde ist gar kein Ausdruck mehr, Chef«, gab ich zu. »Wenn Sie mich an irgendeine Hausecke lehnen würden, könnten Sie sicher sein, daß ich nicht einmal umkippen würde. Ich hätte nicht mehr genug Energie dafür. Ich würde einfach nur im Stehen schlafen.«
»Vielleicht sollten sie wirklich nach Hause gehen. Spuren laufen Ihnen ja nicht mehr davon, Jerry.«
Ich drückte meine Zigarette aus. Dann stand ich auf, weil ich fürchtete, ich würde einschlafen, wenn ich länger in dem verführerisch bequemen Sessel sitzenblieb. Langsam begann ich, in Mr. Highs geräumigem Zimmer hin und her zu gehen.
»Ich will Ihnen noch ein paar Einzelheiten über den Polizistenmord in Lincoln Park geben«, sagte ich, »damit Sie Unterlagen für die Presse haben. Ich kann mir vorstellen, daß die Öffentlichkeit bald den Namen des Mörders haben will.«
Mr. High nickte. Ich erläuterte meine zahlreichen Theorien, ließ Mr. High meine Zweifel wissen in bezug auf die Jugendbande, die für mich als Täter nicht in Betracht kam.
»Ich habe ein einleuchtendes Argument für meine Überzeugung, Chef«, sagte ich. »Wir wissen, in welcher Körperhaltung sich Edwin Fuller befunden haben muß, als ihn die Kugel traf.«
Mr. High sah mich überrascht an.
»Das ist mir im Laufe des Nachmittags eingefallen«, erklärte ich. »Das Geschoß fanden wir nur wenige Zentimeter neben den Blutspritzern. Die Blutspuren sind so dicht beieinander, daß sich Fullers Kopf dicht über den Steinplatten des Hofes befunden haben muß. Wäre er im Stehen erschossen worden, hätten sich die Spritzer auf eine viel größere Fläche verteilt. Und dann wäre die Kugel auch wenigstens zwei oder drei Meter weiter geflogen als die Blutspritzer. Edwin Fuller muß entweder auf dem Hof gekniet haben oder er lag auf den Steinplatten, als ihn die Kugel traf. Da er deutliche Spuren von einem heftigen Kampf trug, darf man annehmen, daß er knock out war und auf dem Hof lag, als ihn die Kugel traf.«
»Das ist eine neue Perspektive«, murmelte der Chef. »Wenn diese jungen Gangster nichts dabei fanden, einen Polizisten bewußtlos zu schlagen, Jerry, können sie dann nicht auch den tödlichen Schliß abgegeben haben?«
»Theoretisch durchaus«, gab ich zu. »Phil scheint inzwischen auch zu der Ansicht gekommen zu sein, daß der Täter unter den Burschen zu suchen wäre. Ich habe vorhin mit Phil telefoniert. Zu der Zeit wußte ich allerdings eine Sache noch nicht, die ich erst erfuhr, als ich auf dem Wege zu Ihnen war, Chef.«
»Und was ist das?«
»Lassen Sie es uns der Reihe nach machen, Chef. Also die Jungen mißhandelten Esmeralda Golling im Einkaufszentrum. Jemand ruft Fuller an und informiert ihn. Aber es läßt sich nicht genau feststellen, wer dieser Anrufer war. Warum rief er Fuller überhaupt an?«
»Nun, natürlich um die Frau zu retten!«
»Oder um Fuller zu der Bande hinzulocken? Um Fuller dort umzubringen, wo man annehmen durfte, daß der Mord dann auch den Jugendlichen angehängt werden würde?«
»Wie kommen Sie auf diese kühne Idee, Jerry?«
»Drei Punkte sprechen für diese meine Überlegung, Chef. Erstens, daß man nicht genau weiß, wer Fuller angerufen hat. Wäre es ein harmloser Nachbar gewesen, hätte der Mann doch seinen Namen genannt. Zweitens, daß heute nachmittag hier bei uns ein anonymer Anruf einging, der uns auf die Bande der jungen Burschen aufmerksam machen wollte. An diesem Anruf stimmt rein gar nichts. Der Mann sagte, er stamme aus Kalifornien und wäre gestern auf der Heimfahrt zufällig Zeuge von Fullers Ermordung gewesen. Wenn das der Fall war, warum hat er nicht auf der Stelle die Polizei angerufen? Außerdem: will er im Emst in ungefähr zwanzig Stunden von New York mit einem Auto nach Kalifornien fahren? Und warum verschweigt er seinen Namen?«
»Das ist in der Tat wirklich merkwürdig«, gab der Chef zu. »Und welcher dritte Punkt bestätigt Ihre Theorie, Jerry?«
»Wir haben den Jungen festgenommen, der im Kofferraum seines Wagens höchstwahrscheinlich Edwin Fuller an die Stelle transportiert hat, wo die Leiche schließlich gefunden wurde. Er sagt, von der Bande könnte niemand den Polizisten erschossen haben außer Stearne Hatkins. Das ist der Anführer. Der sei als letzter vom Hof des Einkaufszentrums auf die Straße gekommen, als sie sich absetzen wollten. Ich wollte mit diesem Hatkins sprechen, aber als ich sein Zimmer betrat, lag er tot auf dem Bett. In der Hand eine Neun-Millimeter-Pistole.«
»Aber das
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