0399 - Merlin erwacht
Wirklichkeit inzwischen drei der Amulette besaß, wußte außer ihm selbst niemand…
Wohlweislich zeigte er auch jetzt nur eines. Es reichte aus für das, was hier erforderlich war: die Angleichung der Kräfte zwischen Norr und Amos. Das Amulett formte die Energien entsprechend um, paßte sie einander an. Dabei setzte es auch selbst eine Kraft frei, die verstärkend und formend wirkte.
Reek Norr ließ die Raumzeit-Koordinaten jenes Ortes einfließen, zu dem er gelangen wollte. Sie sagten Amos nichts. Sie waren von diesem Ort aus nicht zu berechnen. Die Bezugspunkte zur Echsenwelt fehlten.
Erst, wenn die Verbindung zwischen den Welten geschaffen war, würde die Richtung festgelegt werden, die Norr bereits jetzt ›programmierte‹.
Die Linien auf dem Boden begannen zu flirren und zu pulsieren. Die Kraft wuchs. Ein gewaltiges Potential entstand. Sid Amos benutzte die Beschwörungen, die das Tor öffnen sollten.
Und langsam, ganz langsam, wurde die Grenze des Universums durchlässig, diffus. Das Tor begann sich abzuzeichnen.
Dahinter entstand undeutlich ein tastender Tunnel, ein Schlauch, der sich zwischen den beiden Welten aufspannen würde. Doch noch fehlte ihm Festigkeit und Stabilität. Es würde noch einige Zeit dauern, bis er benutzbar war…
Eine seltsame Erregung packte den Sauroiden.
Die Rückkehr in seine Welt war greifbar nahe…
***
Aber auch noch etwas anderes war nahe.
Etwas Dunkles, Mächtiges. Es nahm gierig Energie auf, die ihm zugesandt wurde.
Es gab eine Besonderheit an den sechs Amuletten, durch die sie sich grundlegend von Merlins Stern, dem Haupt des Siebengestirns, unterschieden.
Etwas, das nur Merlin bekannt war. Doch Merlin konnte nicht eingreifen, um es zu unterbinden. Er hatte einst nur warnen können, doch seine Warnung war unbeachtet verhallt.
Die Amulette spiegelten.
Wenn eines von ihnen benutzt wurde, wurde seine entfesselte Kraft an der beabsichtigten Stelle in der beabsichtigten Art wirksam. Aber zugleich erfolgte auch eine Spiegelung. Und das Spiegelbild der Kraft, ein weiterer Energieschub, wurde von einer unbegreiflichen finsteren Macht, deren Aufenthaltsort sich nicht definieren ließ, aufgesogen. Jedesmal, wenn eines der sechs Amulette benutzt wurde, stärkte das die Macht im Hintergrund. Jedesmal dann war sie nah, obgleich sie doch unsagbar fern sein mochte…
Auch diesmal war es wieder der Fall. Und Amos, der Benutzer, bemerkte es nicht einmal.
Die dunkle Macht nahm die gespiegelte Kraft des Amulettes in sich auf. Abermals wuchs ihre Stärke um einen kleinen Teil.
Ein Tropfen nur, mehr nicht.
Doch irgendwann kommt ein Tropfen, der das Faß zum Überlaufen bringt. Eines Tages würde es soweit sein.
Was würde dann geschehen?
Vielleicht wußte es nicht einmal Merlin…
***
»Ich gehe jede Wette ein, daß dieser Kerl jetzt unter seiner Maske unverschämt grinst«, behauptete Rob Tendyke. »Ich kann’s ihm nicht mal verdenken. Er hat uns doch prachtvoll, hereingelegt.«
Zamorra zuckte mit den Schultern. »Du meinst, daß er uns durch dieses Opfer gezwungen hat mitzumachen?«
Tendyke nickte.
»Glaube ich nicht«, widersprach Zamorra. »Er wollte diese Menschen seinem Sonnengott opfern, weil der ihm dafür Kraft liefern sollte. Das ist alles. Vergiß nicht, daß Menschenopfer in dieser Zeit an der Tagesordnung sind. Sie finden statt, so beiläufig, wie wir heutzutage in die Kirche gehen. Na ja, vielleicht nicht ganz so beiläufig, aber sie sind ein fester Bestandteil der Inka-Religion. Für sie ist es kein Mord, sondern eine Notwendigkeit im Rahmen des Rituals, mehr nicht. Sie messen einem Menschenleben eine ganz andere Bedeutung bei als wir. Sie haben andereWertmaßstäbe. Erinnerst du dich, wie der Zauberpriester uns vorhielt, es wäre doch auch für uns eine Ehre, wenn wir uns zu Intis Ehren opfern ließen?«
»Dafür hätte ich ihm am liebsten den Hals umgedreht«, gestand Tendyke.
»Nun, er will etwas von Inti, also muß er Inti Opfer bringen«, fuhr Zamorra fort. »Es war alles andere als der Versuch, uns zur Mitarbeit zu zwingen. Damit konnte er nämlich nicht rechnen. Er weiß zwar, daß wir einer anderen Religion angehören und nichts von den Opferungen halten, aber er kann nicht damit gerechnet haben, daß wir uns störend einmischen würden. Nun, wir haben’s geschafft.«
Der Zauberpriester war erstaunlicherweise sofort darauf eingegangen und hatte die Zeremonie gestoppt. Die auserkorenen Opfer waren von den Tempelkriegern wieder fortgebracht
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