04 - Winnetou IV
erfahren!“
„Gründe, wie dieser, sind nicht billig. Man teilt sie nur den besten Freunden mit.“
„Wir sind deine Freunde!“
„Das sagst wohl du; ich aber kenne dich nicht.“
„So wisse, wer wir sind: Ich heiße Maksch Pappermann und bin schon vierzig Jahre lang als Westläufer bekannt. Da sind zwei Gentlemen, die Hariman und Sebulon Enters heißen. Der dritte Gentleman dort hinten ist Mr. Burton, und die Lady hier ist Mrs. Burton, seine Frau. Und unser roter Bruder da an meiner Seite ist ein Sohn der Apatschen und wird der, ‚Junge Adler‘ genannt.“
Der Kiowa sah uns in der Reihenfolge, in der wir nacheinander aufgezählt wurden, mit scharfem, forschendem Auge an. Nur bei mir ließ er den Blick sinken. Bei meiner Frau war es, als ob er sie durchbohren wolle. An den ‚Jungen Adler‘ ritt er nahe heran und sprach:
„Man erzählt bei uns von einem ‚Jungen Adler‘ der Apatschen, welcher aus dem Stamm Winnetous und sogar sein Verwandter ist. Bist du etwa dieser?“
„Ich bin es“, antwortete unser Begleiter.
„Du hast diesen Namen schon als Knabe bekommen, weil du einen freien Kriegsadler fesseltest und ihn zwangst, dich durch die Luft vom hohen Horst zur Erde zu tragen. Ist das richtig?“
„Es ist richtig.“
„So reiche ich dir meine Hand. Ich sehe den Stern der Winnetou auf deiner Brust. Auch ich bin ein Winnetou, doch habe ich jetzt noch Grund, es nur wenige sehen zu lassen. Schau her! Vertraust Du mir?“
Er hob den Aufschlag seiner Jacke; da kam der zwölfstrahlige Stern zum Vorschein.
„Ich vertraue Dir!“ versicherte der ‚Junge Adler‘.
„So erlaube mir, Euer Führer zu sein! Ich habe Euch erwartet.“
„Du –? Uns –?“ fragte der Apatsche. „Unmöglich!“
„Es ist nicht nur möglich, sondern wirklich. Glaube es mir!“
Der ‚Junge Adler‘ schien doch irre werden zu wollen. Ein Angehöriger der feindlichen Kiowas! Der Stern konnte leicht den Zweck haben, böse Absichten zu verdecken! Ich bekam einen schnellen, fragenden Blick herübergeworfen und gab mit einem bejahenden Augenzwinkern heimliche Antwort. Da entschied der ‚Junge Adler‘:
„Ja, sei unser Führer!“
Er wollte weitersprechen, kam aber nicht dazu, denn Sebulon Enters richtete die schnelle, ganz unvorbereitete Frage an den Kiowa:
„Sind die Sioux schon da?“
„Was für Sioux?“ fragte dieser.
„Die von dem alten Häuptling Kiktahan Schonka angeführt werden und nach dem Pa-wiconte wollen. Und die Utahs mit ihrem Anführer Tusahga Saritsch?“
Da verschwand der freundliche Ausdruck aus dem Gesicht unseres neuen Bekannten; sein Blick wurde schärfer, und er fragte:
„Kennt Ihr diese beiden Häuptlinge?“
„Ja“, antwortete Enters.
„Ich hörte, Ihr seid Brüder?“
„Die sind wir.“
„Kiktahan Schonka hat Euch nach dem Pa-wiconte gesandt?“
„Ja.“
„So beeilt Euch, schleunigst hinzukommen! Ihr werdet dort erwartet. Meldet Euch bei Pida, dem Häuptling der Kiowas, dem Sohn des alten berühmten Häuptling Tangua! Der wird Euch zu Kiktahan Schonka und Tusahga Saritsch bringen.“
„Beeilen sollen wir uns? Warum?“
„Das weiß ich nicht. Es wurde mir gesagt.“
„Aber was wird dann aus Euch? Wann und wo treffen wir Euch wieder?“
Diese Frage wurde an mich und meine Frau gerichtet. Ich antwortete:
„Sorgt Euch nicht um uns! Wenn ich Euch jetzt verspreche, daß Ihr uns zur rechten Zeit und an der richtigen Stelle treffen werdet, so werde ich ebenso Wort halten, wie ich in Beziehung auf die Teufelskanzel Wort gehalten habe. Reitet also getrost weiter! Ihr könnt Euch auf jedes Wort, welches hier dieser Kiowa Euch sagt, verlassen.“
„Und dieser Pa-wiconte ist wirklich das ‚Dunkle Wasser‘, in dem unser Vater starb?“
„Ja. Ihr habt die Beschreibung der Örtlichkeit in meinem Buch gelesen. Ihr werdet sie sofort erkennen.“
„Aber der Weg ist uns unbekannt. Wie lange reitet Ihr noch mit?“
Da antwortete der Kiowa schnell an meiner Stelle:
„Ihr reitet von jetzt an allein. Die andern weichen von der bisherigen Richtung ab. So will des Kiktahan Schonka, und dem habt Ihr zu gehorchen! Euer Weg braucht Euch nicht zu sorgen. Er geht genau geradeaus. Sobald Ihr in die Nähe des Sees gelangt, werdet Ihr auf Posten treffen, welche Euch zu Pida führen.“
Er sagte das in einem Ton, der keinen Widerspruch duldete. Die beiden Enters gehorchten. Sie trennten sich von uns und ritten weiter. Es schien, als ob sie uns nur ungern verließen, obgleich sie
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