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04 - Winnetou IV

04 - Winnetou IV

Titel: 04 - Winnetou IV Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Erde verschwinden werden, als daß du Lampions und Feuerwerk duldest, hat sich wie ein Gewicht auf mich gelegt. Es kommt bei dir so häufig vor, daß das, was du sagst, in Erfüllung geht, selbst wenn andere es für vollständig unmöglich halten. Zuweilen ist diese Erfüllung eine geradezu wörtliche. Und als du vorhin sprachst, hatte ich das Gefühl, als ob das, was du sagtest, eine solche Prophezeiung sei, aus dir selbst herausgestiegen ohne alle Ahnung, woher es kommt.“
    „Und das bedrückt dich nun?“
    „Bedrücken? Nein! Es hebt mich ganz im Gegenteil innerlich empor. Es macht mich fest. Es ist mir, als ob ich ein unerbittliches Schicksal nahen höre, welches uns zu Hilfe kommt. Das macht mich still und sinnend.“
    Während dieses kurzen Redewechsels hatten wir eine Stelle des Weges erreicht, von welcher aus man frei nach der Spitze des Vorberges zu schauen vermochte. Da hielt Tatellah-Satah sein Maultier an, deutete empor und fragte:
    „Seht ihr innerhalb der südlichsten Felsennadel das riesige Adlernest, welches für Menschen nicht erreichbar scheint?“
    Wir sahen es. Der Medizinmann fuhr fort:
    „Da hinauf stieg der ‚Junge Adler‘, als er noch Knabe war. Er wollte sich auf dem Horst des großen Kriegsadlers seinen Namen und seine Medizin holen. Aber der Riemen zerriß, an dem er hing. Er stürzte in das Nest und konnte nicht wieder hinauf. Er tötete die zwei Jungen. Da kam die Alte. Er kämpfte mit ihr und zwang sie, ihn aus jener fürchterlichen Höhe herunter in das Tal zu tragen. Nun sind ihre Federn, ihre Krallen und ihr Schnabel sein Schmuck, die Krallen und Schnäbel der Jungen aber seine Medizin. Er wird seitdem der ‚Junge Adler‘ genannt. Ich aber bin sein Pate, denn als er mit der Adlerin geflogen kam, saß ich vor meiner Tür, und er landete gerade vor meinen Füßen.“
    Das klang wie ein Märchen oder gar wie eine Münchhauseniade, und doch war es wahr, das verstand sich von selbst. Der ‚Junge Adler‘ hatte es nicht gehört; er war weiter fortgeritten und wir folgten ihm, ohne daß ich den Alten bat, uns den Vorgang ausführlicher zu erzählen. Dem Herzle aber sah ich es an, daß sie entschlossen war, es sobald wie möglich zu hören und sich zu diesem Zweck an den jungen Mann selbst zu wenden.
    Der Reitweg führte in zahlreichen Windungen so weit an der Innenseite des Berges empor, bis die Höhe des ‚Schlosses‘ erreicht worden war. Dann wendete er sich nach der vorderen, also nach der östlichen Seite des Mount Winnetou, von welcher aus, als wir sie erreichten, wir die Ober- und die Unterstadt in der Tiefe vor uns liegen sahen. Von da unten war der ‚Junge Adler‘ hier heraufgeritten, um Tatellah-Satah unsere Ankunft zu melden. Hoch über uns sahen wir den Wachtturm ragen. Der ‚Bewahrer der großen Medizin‘ deutete da hinauf und sagte zu dem ‚Jungen Adler‘:
    „Da oben wirst du wohnen. Jetzt aber kommst du mit uns, die Pfeife des Friedens und der Gastlichkeit zu rauchen.“
    Das ‚Schloß‘ bestand nicht etwa aus nur einem oder nur einigen Gebäuden. Es bildete eine Felsenstadt für sich. Die Jahrhunderte und Jahrtausende hatten an ihr gebaut. Darum waren alle amerikanischen Bauarten und Baustile hier vertreten, von dem erstbewohnten Felsenloch und der ersten Kordillerenhütte bis zur altperuanischen Festung, zum altmexikanischen Versammlungshaus und zum steinernen Wigwam nördlicher Gegenden. Es gab da gewaltige Felsen- und Adobeswerke nach Art der Pueblostämme. Die wurden, wie ich dann später sah, als Vorratshäuser benutzt, in denen seit undenklichen Zeiten große Mengen von Getreide und getrockneten Nahrungsmitteln aufbewahrt wurden, ohne verderben zu können. Da ragten Mauern, die aus noch größeren Riesensteinen bestanden, als ich z.B. in Baalbek und anderen berühmten orientalischen Orten gesehen hatte. Wir ritten an allen möglichen indianischen Zelten, Hütten, Häusern, Palästen, Balkonen, Veranden, Dächern, Tennen, Scheunen und Schuppen vorüber, die sich wie ein langgestrecktes, festes Mauerband um die Höhe des Berges legten und als steinerne Grüße aus uralter Zeit hinunter in die Tiefe schauten, wo in der Ober- und Unterstadt das kleine Volk der Gegenwart sich mit allen Kräften dagegen wehrte, endlich einmal größer werden zu sollen. Aber so aufrichtig ich die rote Rasse liebe und so gern ich nur Gutes, Edles und Großes von ihr berichten möchte, so muß ich doch der Wahrheit die Ehre geben und darum offen bekennen, daß alle diese

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