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Geisterstadt

Geisterstadt

Titel: Geisterstadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Johanna Henkel-Waidhofer
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Tante Mathilda ist verschwunden
    Justus merkte sofort, dass etwas nicht stimmen konnte, als er die Klinke herunterdrückte. Verwundert grapschte er in der rechten Hosentasche nach seinem Schlüssel und schloss die Haustür auf. Es roch intensiv nach gebratenem Fleisch. Er stürzte in die Küche, warf den Blumenstrauß auf den Tisch und öffnete den Backofen, vor dem ein angekokeltes, rauchendes Geschirrtuch hing. Heißer Qualm und beißender Gestank schlugen ihm ins Gesicht. Mit einigen raschen Handbewegungen versuchte er, den Rauch zu verteilen, aber immer neue Schwaden drangen ihm entgegen. Er bekam das Geschirrtuch zu fassen und warf es in hohem Bogen in die Spüle. Er wandte sich ab und atmete tief durch, dann hielt er sich die Nase zu und fingerte mit der anderen Hand nach einem zweiten Tuch, das neben dem Geschirrschrank an der Wand hing. Er bückte sich, griff, ohne etwas zu sehen, in den Ofen, bekam einen Henkel zu fassen und zog daran. Die alte Eisenpfanne kam zum Vorschein. Mit einem geschickten Handgriff hob er sie heraus. Durch den Qualm sah er einen total verkohlten Braten. Er stellte das schwere Ding auf die Ablage neben der Spüle, schaltete den Ofen ab und öffnete das große Fenster.
    »Puuuh.« Justus fuhr mit der Hand über die Stirn. Der Braten dampfte noch immer und erinnerte stark an ein stinkendes Stück Holzkohle. Verwundert sah er sich in der verrauchten Küche um. Zweimal hatte ihm Tante Mathilda eingeschärft, auch ganz bestimmt pünktlich um sieben Uhr zum Abendessen daheim zu sein. Weil es wie jedes Jahr am Valentinstag Rinderbraten gab – eine gute alte Tradition in der Familie Jonas. Und nun war sie selbst nicht da.
    Mit spitzen Fingern zog er an einer Ecke des verkokelten Geschirrtuchs, das in dem Becken lag. Nach den rabenschwarzen Brandflecken zu urteilen, hatte nicht viel gefehlt und es hätte Feuer gefangen. Noch einmal wischte er sich den Schweiß ab.
    Dann ging er langsam in den Flur. Er schloss die Küchentür hinter sich, wie es Tante Mathilda tat, wenn sie Fisch zubereitete und nicht wollte, dass der Geruch durchs ganze Haus zog. Durch den Spalt der Wohnzimmertür fiel ein schmaler Lichtstrahl. »Seid ihr da?«, hörte er sich überflüssigerweise fragen. Es blieb still im Haus. Tante Mathilda musste das Haus verlassen haben, sonst wäre die Tür nicht versperrt gewesen. Nachdenklich kehrte er in die Küche zurück. Der Rauch zog langsam durch das große Fenster ab. Erst jetzt sah er die Teller und Gläser neben der Spüle. Obenauf lag benutztes Besteck. Seltsam, dachte Justus und schloss das Küchenfenster. Dann ließ er sich auf einen Stuhl fallen. Normalerweise war es Onkel Titus’ Aufgabe, nach dem Mittagessen das Geschirr abzuwaschen. Heute aber war er schon in aller Herrgottsfrühe nach Santa Barbara gefahren, um Mr Eagleburger zu treffen, einen befreundeten Antiquitätenhändler. Titus Jonas betrieb seit Jahren einen florierenden Altwarenhandel samt Schrottplatz in Rocky Beach.
    Justus sah auf die Uhr. Es war kurz nach halb acht. Um sieben hatte auch Onkel Titus zurück sein wollen. Und Tante Mathilda? Warum war sie weggegangen und hatte den Braten im Ofen vergessen? Noch einmal fiel sein Blick auf das Geschirr. Zu Mittag gegessen hatte Tante Mathilda noch. Und dann? Justus zupfte an seiner Unterlippe, wie immer, wenn er angestrengt nachdachte. Als er am Morgen mit Bob und Peter aufgebrochen war, um im Park von Rocky Beach beim Einpacken der Rosenstöcke zu helfen, die vor dem plötzlichen Wintereinbruch geschützt werden mussten, war keine Rede davon gewesen, dass sie das Haus bei dem kalten Schmuddelwetter verlassen wollte.
    Abrupt stand er auf und ging zum Telefon im Flur. Vielleicht hatte Tante Mathilda eine Nachricht hinterlassen.
    Aber der Block war leer. Der Anrufbeantworter im Wohnwagen, schoss es Justus durch den Kopf. Mit seinen Freunden Peter Shaw und Bob Andrews betrieb Justus in der gemeinsamen Freizeit ein erfolgreiches Detektivbüro. Ein Campingwagen beherbergte die mit Computer, Fotolabor und Anrufbeantworter ausgestattete Zentrale der drei ???, der in einem Winkel des Schrottplatzes stand. Er selber war Erster Detektiv, Peter Zweiter Detektiv und Bob war für Archiv und Recherchen zuständig.
    Justus nahm das Piepsgerät aus der Hosentasche, mit dem der Anrufbeantworter fernabgehört werden konnte, und wählte zügig die Nummer.
    »Hallo«, hörte er die atemlose Stimme von Onkel Titus, »hallo, hier Titus Jonas. Ich bin auf der Suche nach Mathilda,

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