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04 - Winnetou IV

04 - Winnetou IV

Titel: 04 - Winnetou IV Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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wieder von dem Schusse Tom Muddys getroffen. Das ist die Erinnerung! Ich habe sie sehr lieb gehabt, diese Indianerin, sehr! Ich habe niemals, niemals wieder ein Frauenzimmer daraufhin angesehen, ob ich sie zum Weibe haben möchte. Ich bin ein einsamer Mensch geblieben und werde wohl, wenn meine Stunde kommt, auch ebenso einsam sterben – – –. Ich will versuchen, zu schlafen. Gute Nacht!“
    Wir erwiderten seinen Wunsch „gute Nacht“, doch ging er nicht in Erfüllung, weder bei ihm noch bei uns. Er wälzte sich wohl zwei Stunden lang von einer Seite auf die andere; dann wickelte er sich wieder aus seiner Decke, stand auf und ging fort, um sich durch eine Wanderung zu beruhigen. Er war um Mitternacht noch nicht wieder da; da schlief ich ein. Aber schon vielleicht nach zwei Stunden wachte ich wieder auf. Da saß er an seiner Stelle; er war zurückgekehrt, hatte sich aber nicht niedergelegt. So setzte ich mich also auch auf. Und kaum hatte ich das getan, so richtete sich der ‚Junge Adler‘ in die Höhe. Da erklang vom Zelt her die Stimme meiner Frau:
    „Auch ich schlafe nicht! – Darf ich einen Vorschlag machen?“
    „Welchen?“ fragte ich.
    Sie öffnete die Leinwandspalte, an der sie gestanden hatte, noch weiter, trat ganz hervor und antwortete:
    „Wollen aufbrechen! Fort! Hinunter nach dem See! Wir schlafen doch nicht wieder ein! Das sind die Folgen so alter Geschichten!“
    Da sprang Pappermann auf und stimmte bei:
    „ Well! Aufbrechen! Fort! Dann kommen wir genau zum Sonnenaufgang an, wie damals ich! Seid Ihr es zufrieden?“
    Ich stimmte bei, und der ‚Junge Adler‘ natürlich auch. Das Zelt wurde abgebrochen. Dann ritten wir den breiten, bequemen Terrainabfall nach der Hochebene des Sees hinunter. Der Morgen begann leise zu grauen. Wir hatten grad genug Dämmerlicht für die Augen unserer Pferde, daß sie sahen, wohin sie traten. Dann wurde es heller und heller.
    War es wirklich nur die Folge der Erzählung Pappermanns, daß wir nicht hatten schlafen können? Oder gab es irgendeine Bestimmung, die uns veranlaßt hatte, um so viel früher aufzubrechen, als erst in unserer Absicht gelegen hatte? Sonderbar!
    Wir ritten still nebeneinander her. Wir erreichten die Ebene, auf der wir schneller vorwärts kamen. Der Morgen nahte. Es wurde Tag. Und grad als die Sonne aufging, erreichten wir den äußeren Rand des grünen Laub- und Blätterwaldes, der den See von allen Seiten umsäumte. Eine schmale, wiesenartige Lichtung führte in diesen Wald hinein. Sie wurde immer schmaler und bildete schließlich einen Weg von nur fünf oder sechs Meter Breite.
    „Das ist derselbe Weg, den ich damals kam“, sagte Pappermann. „Nur ist der Wald jetzt höher und dichter geworden. Hier fand ich die Spuren. Und nur eine kurze Strecke weiter sehen wir das Wasser des Sees.“
    Er ritt diese Strecke voran. Dann wendete er sich nach uns um, deutete aber vorwärts und sagte:
    „Da sind die letzten Büsche. Und nun kommt der See und der hohe Stein, auf dem Aschta damals saß – – – mein Himmel!“
    Er war um die erwähnten letzten Büsche gebogen, ritt aber nicht weiter, sondern blieb halten, stieß diesen Ausruf der Überraschung, des Erstaunens aus und starrte nach einem Punkt, der uns noch hinter dem Gesträuch verborgen war. Wir ritten schnell hin. Da sahen wir nun freilich, daß er sehr wohl Veranlassung hatte, zu erstaunen. Ja, unser Erstaunen war ebenso groß wie das seinige.
    Wir hatten den See erreicht. Wir befanden uns an seinem östlichen Rand. Ja, er war es wert, mit dem gleichnamigen Kanubisee in Massachusetts verglichen zu werden. Doch hatten wir jetzt nicht Zeit, uns mit seiner Schönheit zu beschäftigen. Rechts von uns lagen die Überreste der einstigen Senecahäuser, von dem ersten Gruß der Sonne überflutet. Vor uns die vom leisen Morgenhauch bewegte, durchsichtig grünblaue Wasserfläche, deren reich eingebuchtete Ufer sich wie Kulissen aus- und ineinanderschoben, vom üppigem Grün bewachsen, dessen Blätter wie eingetaucht in flüssiges Metall erschienen. Und links von uns, wo die Büsche bis ganz nahe an das Ufer traten, der hohe, weiße, glattgewaschene Stein, und auf ihm stehend – – – eine junge Indianerin, genau, ganz genauso, wie Pappermann sie uns gestern am Abend beschrieben hatte: Sie war in weiche, weißgegerbte Tierhaut, mit roten Fransen verziert, gekleidet, und ihr langes, dunkles Haar hing, mit Blumen und Kolibris geschmückt, weit über den Rücken herunter. Die

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