04 - Winnetou IV
berühmtesten Männer und Frauen aller roten Nationen sind eingeladen, sich dort einzustellen, um diese Figuren und Bilder zu sehen! Sogar Old Shatterhand wurde eingeladen, der räudige Hund!
Diese wahnsinnige Überhebung der Apatschen muß verhindert werden! Sie müssen erfahren, daß man wohl einem Utah- oder einem Siouxkrieger ein goldenes Denkmal setzen kann, nicht aber einem kläffenden Köter vom Rio Pecos her! Das Wann und das Wie zu beraten, sei man hier an der ‚Kanzel des Teufels‘ zusammengekommen. Und was da beschlossen werde, das habe man auszuführen, und wenn die ganze indianische Rasse dabei vollends zugrunde gehe!
So weit war man gekommen; da trat eine Störung ein, die nicht nur von den Roten, sondern auch von uns beiden gesehen wurde. Sie kam in Gestalt eines Menschen am Bach dahergeschritten, und dieser Mensch war kein anderer als Sebulon L. Enters. Er hatte Sporen an den Stiefeln, war aber ohne Pferd. Er trug ein Gewehr und war genauso ausgerüstet, wie noch vor dreißig Jahren ein Westmann ausgerüstet zu sein pflegte. Die Sioux kannten ihn. Sie hinderten ihn nicht, heranzukommen. Sie führten ihn nach der Kanzel. Er mußte hinaufsteigen. Das sahen wir. Und nun hörten wir auch wieder Stimmen.
„Wer ist dieses Bleichgesicht?“ fragte Tusahga Saritsch.
„Ein Mann, den ich kenne“, antwortete Kiktahan Schonka. „Ich habe ihn an die ‚Kanzel des Teufels‘ bestellt. Er sollte erst morgen kommen. Warum kommt er schon heut?“
Diese Frage war an Sebulon gerichtet. Sie klang gar nicht etwa höflich. Der Indianer pflegte den Weißen, den er als Spion gebraucht, stets nur verächtlich zu behandeln. Sebulon antwortete:
„Ich mußte mich beeilen, so bald wie möglich hierherzukommen, um euch zu warnen.“
„Vor wem?“
„Vor eurem ärgsten Feind, vor Old Shatterhand.“
„Uff, uff, uff, uff!“ ertönte es rund im Kreise, und auch Kiktahan Schonka selbst rief aus:
„Uff, uff! Old Shatterhand! Vor ihm warnen! Warum?“
„Er kommt hierher.“
„Uff, uff! Woher weißt du das?“
„Er sagte es.“
„Wem?“
„Mir“.
„So sahst du ihn wohl?“
„Ja.“
„Und sprachst mit ihm?“
„Ja.“
„Wo?“
„Am fallenden Wasser des Niagara.“
„Uff! Wir wissen, daß er kommen soll. Aber daß er schon gekommen ist, das wußten wir noch nicht. Und er kommt nach der Devils pulpit?“
„Ja.“
„Was will er hier?“
„Euch belauschen.“
„Uff, uff! Das klingt ja, als ob er wüßte, daß wir hierherkommen, und was wir hier wollen!“
„Er weiß es.“
„Von wem?“
„Das sagte er nicht. Er reiste ab. Wir folgten hinterher. Wir trafen in Trinidad seine Spur. Er ist dort wieder fort, wahrscheinlich geraden Weges hierher.“
„Uff, uff, uff, uff!“ ging es wieder rund im Kreise, und Kiktahan Schonka rief zornig aus:
„Ist dieser Hund denn noch nicht alt genug, die Schärfe des Auges, der Ohren und der Nase zu verlieren? Konnte er nicht drüben, jenseits des großen Wassers, in seinem stinkenden Wigwam bleiben?“
„Und seine Frau mit ihm!“ fügte Sebulon hinzu.
„Seine Squaw, sagst du? – Hat er sie mit?“
„Ja.“
„Wirklich? Ist das wahr?“
„Natürlich! Ich sage es doch!“
„Sie war mit am Fall des Niagara?“
„Ja. Und auch in Trinidad war sie bei ihm. Wir hörten es, als wir hinkamen und uns erkundigten.“
„Uff, uff! Das ist ein gutes Zeichen, ein sehr gutes Zeichen für uns! Sein Kopf ist schwach geworden! Er ist ein Greis, ein schwach gewordener Greis! Wer seine Squaw mit sich über das Wasser und nach dem Wilden Westen schleppt, der ist verrückt, der kann keinem Menschen mehr etwas schaden. Er mag immerhin kommen. Wir fürchten ihn nicht. Er kommt an den Marterpfahl, und sein Weib mache ich zu meiner Squaw!“
Da fiel Tusahga Saritsch, der Oberhäuptling der Utahs, ein:
„Mein Bruder spreche nicht zu schnell! Old Shatterhand kennt seine Squaw; du aber kennst sie nicht. Wenn er sie mitgenommen hat, so weiß er ganz bestimmt, daß er dies wagen darf, ohne daß er sich damit schadet. Er mag alt geworden sein; aber so hat er doch immer nur erst das Alter erreicht, in dem man weise und doppelt vorsichtig und bedenklich wird, nicht aber das, in dem gewöhnliche Menschen kindisch zu werden pflegen. Es ist wohl möglich, daß wir ihn jetzt noch mehr zu fürchten haben als früher, da er über dreißig Sommer jünger war!“
„Und er ist nicht allein!“ stimmte Sebulon bei.
„Wer ist bei ihm?“ fragte Kiktahan Schonka.
„Ein
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