04 - Winnetou IV
alter, erfahrener Westmann, namens Max Pappermann.“
„Uff! Ich habe von einem gehört, der so heißt. Die Hälfte seines Gesichtes ist blau.“
„Das ist er!“
„Dieser, dieser! Er hat meinen größten Gegner im eigenen Stamme, dem Sioux Wakon, das Leben gerettet. Möge der böse Geist ihn vernichten! Er ist tapfer und listig zugleich. Wenn er bei Old Shatterhand ist, so haben wir ihn zu fürchten!“
„Und noch ein anderer ist bei ihm“, fuhr Sebulon fort. „Nämlich ein junger Mescalero-Apatsche, welcher der ‚Junge Adler‘ heißt.“
„Etwa der ‚Junge Adler‘, der zu den Bleichgesichtern ging, um fliegen zu lernen?“
„Das weiß ich nicht. Aber ich hörte in Trinidad, er sei vier Jahre lang bei den Bleichgesichtern gewesen und kehre jetzt zu seinem Stamm zurück.“
„So ist er es! Er ist ein Schüler Wakons. Er schickt ihm viele Briefe und bekommt viele Antworten darauf. Er ist einer der ersten unter denen, die sich ‚Jungindianer‘ nennen und von weiter nichts als von Humanität und Bildung, von Versöhnung und Liebe reden. Und er ist auch einer der ersten vom Clan Winnetou. Er soll überhaupt ein Blutsverwandter von Winnetou sein. Wenn er sich bei Old Shatterhand befindet, so müssen wir uns alle Mühe geben, diese drei Männer und die Squaw in unsere Hände zu bekommen. Wo hast du dein Pferd?“
„Jenseits des Berges bei meinem Bruder“, antwortete Sebulon. „Er blieb bei den Pferden zurück. Ich aber schlich mich zu Fuß hierher, um nach Spuren zu suchen und die Gegend zu erkunden.“
„Welchen Weg von Trinidad aus schluget ihr ein?“
„Wir kamen über den Kanubisee.“
„Habt Ihr auf diesem Weg Spuren von Old Shatterhand gefunden?“
„Nein. Aber Spuren vieler Weiber, die am See gelagert haben.“
„Das waren die verführten Frauen unseres eigenen Stammes, die sich ‚Jungindianerinnen‘ nennen. Sie ziehen auch nach dem Mount Winnetou, um das Denkmal zu sehen und ihre Nuggets dafür hinzugeben. Wir können sie nicht hindern, das zu tun; aber wir werden die Apatschen dafür bestrafen. Hat Old Shatterhand von dem Mount Winnetou gesprochen?“
„Nein.“
„Auch nicht von dem Weg, den er einschlagen will?“
„Auch nicht. Wir erfuhren nur, daß er beabsichtigt, nach der Devils pulpit zu gehen, um Kiktahan Schonka, den Häuptling der Sioux, dort zu sehen.“
„So ist er immer noch der unermüdliche, listige Späher, der er immer war! Aber dem Marterpfahl, dem er so oft entgangen ist, dem entkommt er dieses Mal nicht. Wenn er sich nähert, kann er nur da von der östlichen Höhe kommen, von welcher wohl auch du gekommen bist?“
„Ja.“
„Ich werde sofort die ganze Umgebung hier durchsuchen lassen. Du aber kehre zurück zu deinem Bruder, und bringe ihn her! Die Beratung ist unterbrochen, bis wir uns überzeugt haben, daß Old Shatterhand sich nicht in der Nähe befindet.“
Sebulon L. Enters entfernte sich. Wir sahen ihn nach dem Weg zurückgehen, den er gekommen war. Es war der unsrige. Wie gut also, daß wir so vorsichtig gewesen waren, erkennbare Spuren zu vermeiden. Auch Tusahga Saritsch verließ mit sämtlichen Unterhäuptlingen die Kanzel. Sie stiegen hinab, um sich alle an der Nachforschung nach uns zu beteiligen. Nur Kiktahan Schonka allein blieb zurück. Es schlichen sich also vierzig Sioux und vierzig Utahs von dannen, um nach uns zu suchen. Das war keine Kleinigkeit. Zwar traute ich weder Pappermann noch meiner Frau die Unvorsichtigkeit zu, ihr Versteck während unserer Abwesenheit zu verlassen, aber der kleinste und geringste Umstand konnte Veranlassung zu der Entdeckung werden, daß ein verborgener Pfad aus dem stillen Weiher noch weiter führte. Und was uns beide selbst betraf, so durften wir uns keineswegs so sicher fühlen, daß jede Entdeckung ausgeschlossen war. Es brauchte unter den achtzig Indianern nur ein einziger zu sein, der keine Angst vor dem ‚bösen Geist‘ hatte und sich nicht scheute, in den östlichen Teil der Ellipse einzudringen, so mußte er unsere Spuren unbedingt sehen. Es war notwendig, meinem Gefährten zu sagen, was in diesem Fall zu geschehen hatte. Wir hatten bisher nur immer englisch mit ihm gesprochen, aus dem einfachen Grund, weil meine Frau überhaupt keinen indianischen Dialekt verstand und auch Pappermann sich höchstens nur im halb englischen, halb indianischen Slang auszudrücken vermochte. Nun aber, da wir allein waren, konnte ich dem ‚Jungen Adler‘ die Freude machen, seine Muttersprache zu
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