04 - Winnetou IV
Scheu. Sie brachten sich sogar Feuerholz mit, um die Bäume und Sträucher der Devils pulpits schonen zu können. Und sie bleiben nur im westlichen Teil; den östlichen, wo wir den Bären erschossen hatten, wagten sie nicht zu betreten. Und, was für uns das wichtigste war, sie umlagerten die Teufelskanzel nur im weiten Kreis. Keiner nahte sich ihr, und noch viel weniger hatte einer von ihnen den Mut, sie zu ersteigen. Die Verhandlungen und Beratungen begannen jedenfalls erst nach dem Eintreffen der Sioux. Dann befanden sich ‚verschiedene Nationen‘ beisammen, und hierauf erst war es erlaubt, die Kanzel zum Zweck der Diskussion zu betreten. Was dann besprochen wurde, das wollten wir hören, Unwichtiges aber nicht. Darum verzichteten wir darauf, uns jetzt schon anzuschleichen und um bloßer Neugierde willen uns in die Gefahr zu begeben, entdeckt zu werden, ohne daß wir irgendeinen Nutzen davon hatten. Wir blieben also in unserem Lager und nahmen uns vor, recht auszuschlafen, weil wir nicht wissen konnten, ob wir hierzu so bald wieder Gelegenheit hatten.
Am Abend sahen wir unten einige Feuer brennen, die aber so klein waren, daß sie für uns nicht ausreichten, die Gestalten der an ihnen sitzenden Indianer zu erkennen. Auch still ging es da unten zu, außerordentlich still. Es gab keinen Laut, der bis herauf in unsere Höhe drang. Wir schliefen gut. Nichts störte unsere Ruhe. Der nächste Tag verging, ohne daß die Sioux kamen. Aber am darauffolgenden Morgen sahen wir, daß die ausgestellten Posten sich einstellten, um das Erscheinen der Erwarteten zu melden. Diese kamen genauso im Gänsemarsch wie vorgestern die Utahs. Voran ritt ein sehr alter, sehr langer und sehr hagerer Häuptling, der sein Pferd von zwei gewöhnlichen Indianern führen ließ, daß es ja keinen Fehltritt tue. Er schien also nicht mehr gut bei Kräften zu sein. Daß er trotzdem einen so weiten Ritt unternahm, ließ darauf schließen, daß der Gedanke, der ihn jetzt nach dem Süden führte, ihn innerlich fanatisierte.
Er wurde von den Utahs mit großer Achtung empfangen. Als man ihn vom Pferd gehoben hatte, sah man erst, wie übermächtig lang und schmal und dünn er war. Wäre es nicht lichter Tag gewesen so hätte man ihn für ein Gespenst halten können. Das war, wie ich dann bald feststellte, Kiktahan Schonka, der ‚wachende Hund‘, welcher den Apatschen und allen ihren Freunden den Untergang geschworen hatte. Man breitete für ihn einige weiche Decken gegenüber dem Utah-Häuptling Tusahga Saritsch aus und setzte ihn wie ein Kind da nieder. Hinter ihm wurden einige Pfähle eingeschlagen, damit er sich daran lehnen möge. In solchen menschlichen Ruinen pflegen Haß und Rachgier sich länger zu erhalten als in gesunden, widerstandsfähigen Personen.
Nun war es Zeit für uns, unsern Lauscherposten zu beziehen. Das Herzle wäre gar zu gern mitgegangen; sie konnte mir aber nichts nützen, sondern mich nur hindern. Pappermann verzichtete darauf, mich zu begleiten.
„Was soll ich da unten?“ fragte er. „Wer die Indsmen belauschen will, muß ihre Sprache besser, viel besser kennen als ich. Ich heiße zwar Maksch Pappermann und bin mit dem Gewehr in der Hand wohl kein unebner Kerl; aber grad da, wo die Sprachen und Dialekte anfangen, da hört meine Klugheit auf, vollständig auf! Ich bleibe also hier oben bei unserer Mrs. Burton und lasse mir von ihr einen neuen Brombeerkuchen backen. Oder nicht?“
Sie nickte.
So stieg ich also mit dem ‚Jungen Adler‘ durch den Wald den Berg hinab. Wir nahmen unsere Gewehre mit, um für alle Fälle auch eine weittragende Waffe in der Hand zu haben. Es versteht sich ganz von selbst, daß wir alle Vorsicht anwendeten, keine Spuren zu machen und nicht gesehen zu werden. Denn morgen war der Tag, den die beiden Santer uns bezeichnet hatten. Da kamen sie wahrscheinlich hier an. Es war aber auch möglich, daß sie sich eher einstellten und sich heimlich hier herumtrieben, um die Indianer zu belauschen, bevor sie sich von ihnen sehen ließen. Wir stiegen also nur an solchen Stellen hinab, die jeder andere vermieden hätte, und taten, wie wir dann später bemerkten, sehr wohl daran. Unten angekommen, drangen wir sofort in das tiefste Dickicht ein, um so schnell wie möglich zu verschwinden.
Als wir unsern Lauscherposten und unser kleines Inselhäuschen erreicht hatten, sah ich, daß meine Frau uns da allerdings eine sehr bequeme Gelegenheit zum Sitzen und auch Liegen geschaffen hatte. Zunächst aber machten
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