0406 - Mörder-Medium
wir das tun. Sie können uns nicht verstehen, weil Sie einer anderen Kultur mit einer anderen Vorstellung entstammen. Die russische Seele lacht und weint anders. Ich zum Beispiel bin gern hier, weil mich die Forschungsarbeit an dem Phänomen reizt, das sich in mir manifestiert hat. Alles andere interessiert mich nicht.«
»Weder, ob Telepathie zu Friedens-, noch zu Kriegszwecken eingesetzt werden kann, wie?« knurrte Gryf bissig. »Und auch all die anderen Fähigkeiten wie Hellsehen, Psychokinese, Suggestion, Hypnose…«
»Es interessiert mich wirklich nicht«, sagte Kotranov gelassen.
»Ganz schön blauäugig.«
»Sehen Sie, Genosse Gryf, ein Schmied kann seine Kunstfertigkeit benutzen, um einen Pflug oder ein Schwert anzufertigen. Es kommt nicht auf ihn an, sondern auf den, der Pflug oder Schwert bei ihm bestellt. Wir…«
»… wollen doch nicht politisch werden«, mahnte Zamorra. »Nicht jetzt. Das können wir zu einem anderen Zeitpunkt ausdiskutieren, wenn sich eine bessere Gelegenheit dafür ergibt.«
Saranow trat mit den Besuchern ein. Sie stutzten, als sie die beiden Fremden sahen, die so gar nicht in die Gruppe paßten. Saranow stellte vor. Kollegen aus Westeuropa…
Zamorra musterte die beiden Frauen. Dr. Tokolev interessierte ihn nur am Rande. Zamorra ahnte, daß er vielleicht der erste Westeuropäer war, der Gelegenheit hatte, sowjetischen Psi-Talenten unmittelbar gegenüber zu stehen. Er bedauerte, daß dieses Zusammentreffen nicht unter günstigeren Umständen stattfand. Nicht in aller Heimlichkeit, sondern offiziell. Aber…
Vielleicht war es nicht sein letzter Besuch bei den Parapsychologen von Akademgorodok.
Kaum weniger interessant war das schimmernde, hundegroße Gebilde, das vor den beiden Frauen durch die Luft schwebte. Zamorra spürte die Konzentration fast körperlich, die von der jüngeren Frau ausging, die als Nadja vorgestellt worden war. Sie war es, die das Objekt mit den unsichtbaren Händen ihres Geistes bewegte.
Ektoplasma…
Zamorra konnte sich nicht erinnern, wann er so etwas zum letzten Mal gesehen hatte. Seine Erlebnisse hatten mit dem Okkulten zu tun, weniger mit dem reinen Wissenschaftlichen. Aber dennoch begriff er das Einmalige dieser Begegnung. Freies Ektoplasma, das keine Verbindung zu seinem erzeugenden Medium besaß.
Wie der Scheinkörper von Astardis , raunte etwas lautlos in ihm.
Überrascht nickte er. »Ja«, hörte er sich selbst murmeln.
Das Amulett hatte sich wieder einmal, wie schon öfters in der letzten Zeit, zu Wort gemeldet. In der handtellergroßen Silberscheibe mit den kunstvollen Verzierungen ging ein Entwicklungsprozeß vor sich, als wolle das Amulett so etwas wie eine eigene Persönlichkeit entwickeln. Aber immer, wenn Zamorra sich dessen erinnerte, hatte er keine Zeit, das Phänomen zu ergründen, und wenn er Zeit hatte - dachte er nicht daran. Und dann war er auch froh, für kurze Zeit Ruhe zu haben und sich nicht mit magischen Erscheinungen befassen zu müssen.
Aber das Amulett hatte mit seiner Aussage nicht ganz unrecht. Der Scheinkörper, den der Dämon Astardis entstehen ließ, bestand aus einer recht ähnlichen Substanz wie das Ektoplasma, nur daß er in sich fester war und lebensecht geformt und gefärbt werden konnte. Er war auch von sich aus beweglich und mußte nicht von einem Psychokineten bewegt werden.
»Nicht anfassen«, warnte Dr. Tokolev. »Es teilt Schocks aus.«
Saranow nickte.
Erneut fuhr draußen ein Wagen vor. Die Türklingel ertönte.
»Wen haben wir denn jetzt noch?« fragte Saranow erstaunt und machte sich auf, um zu öffnen.
Zamorra konzentrierte sich auf Lena Petrowna. Er versuchte sie mit seinen eigenen schwachen Para-Kräften auszuloten, aber irgendwie drang er nicht durch. Etwas hinderte ihn, obgleich er das Amulett mit einzusetzen versuchte. Lena Petrowna war von einer unsichtbaren Schutzschicht umgeben, in der Zamorras Tastversuche versanken. Möglicherweise wußte sie von diesem Schild nicht einmal etwas…?
Saranow kam zurück, in seiner Begleitung ein Mann, den Zamorra noch nicht gesehen hatte.
»Das ist Hauptmann Gruszenko«, stellte der Professor den Ankömmling vor. »Er ist Sewjestins Stellvertreter.«
»Was will er hier?« fragte Lena. »Wird neuerdings alles vom KGB überwacht? Werden wir demnächst auch bespitzelt, wenn wir zur Toilette gehen?«
»Sie sehen das falsch, denke ich«, erwiderte Gruszenko. »Ich bin hier, weil mich der Major herbeorderte. Er wird ebenfalls kommen.«
»Der fehlt
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