0408 - Sie lockten mich mit Evelyn
loswerden.«
»Ich hätte es Ihnen kaum zugetraut«, sagte ich kalt.
»Ich habe Rex Bunter eingeredet, dass er Hank Brian finden musste«, gestand sie, ohne mit einer Wimper zu zucken. »Ich hoffte, dass Brian mich zurücknehmen würde, wenn er aufkreuzte. Ich hab Ihnen ja erzählt, was mit mir und Rex los ist. Er ist der Boss, und ich muss immer tun, was er will. Er hat das Kommando. Aber Hank Brian… Hank mit den Brillanten…« Sie unterbrach sich und fügte dann mit einem listigen Augenaufschlag hinzu: »Sie verstehen, was ich meine, nicht wahr?«
Ich verstand sie nicht. Ich werde niemals eine Frau wie Evelyn Taylor verstehen, aber ich nickte.
Ich sagte: »Jetzt können Sie das alles vergessen. Es gibt keine Brillanten, und Hank Brian tötete Sam Goldstein nicht.«
»Was…?« Ihre Stimme war nur ein gehauchtes Wispern. »Er hat die Brillanten nicht geraubt.« Ihr Gesicht war schneeweiß, und sie starrte mich an, ungläubig und abschätzend.
Dann kam sie näher. Sie streckte ihre Hand aus und nahm mich beim Arm. Sie drückte ihn leicht.
»Sie müssen mir helfen, Agent Cotton. Sie müssen es tun!« Sie war fassungslos, erschreckt und wusste anscheinend keinen Ausweg mehr.
»Wobei helfen?«, fragte ich.
»Helfen, dass ich Rex Bunter loswerde«, gab sie zurück. »Bitte!«
»Sie können gehen, wohin Sie wollen, Sie können tun, was Sie wollen. Nehmen Sie einen Zug und verschwinden Sie. Was hält Sie zurück?«
»Ich kann ihn nicht länger ausstehen! Ich will weg. Aber er wird mich finden und sich rächen!«
Sie trat näher an mich heran. »Du musst mir helfen! Du wirst es nicht bereuen, wenn du es tust«, hauchte sie.
»Vielleicht«, sagte ich und schob sie von mir.
Hass und auch Furcht waren auf einmal in ihr Gesicht geschrieben. Wie eine Wildkatze sprang sie heran und riss ihre Rechte hoch, um mir die langen rot lackierten Nägel durch das Gesicht zu ziehen.
Ich griff blitzschnell nach ihrer Hand, packte sie am Gelenk und riss sie herunter. Ich erwischte auch noch das andere Handgelenk und drückte zu. Sie grub ihre Zähne in die Lippen und starrte mich mit unversöhnlichem Hass an. Plötzlich stand sie für eine Sekunde bewegungslos, dann blickte sie über meine Schulter und schrie: »Fassen Sie mich nicht an! Lassen Sie mich!«
Die Stimme von Rex Bunter sagte hinter mir: »Eine sehr nette Szene.«
Seine Stimmte war so sanft wie immer. Und doch hatte sie jetzt eine gefährliche Betonung.
***
»Hallo, Bunter«, sagte ich ganz ruhig.
Evelyn Taylor ging zu Bunter hinüber und warf die Arme um seinen Hals. Sie stellte sich an wie die Frau eines Seemanns, der von großer Fahrt nach Hause kommt.
»Oh, Rex! Ich bin so froh, dass du gekommen bist. Du hast gesehen, was er versucht hat…«
Ich ging hinüber und trat neben die beiden. Ich streifte die Ärmel ihres Kleides über die Handgelenke hoch und zeigte sie Bunter.
»Sieht das etwa nach einer Liebesszene aus? Überzeugen Sie sich doch selbst!«
»Sie sind galant, Cotton«, gab er ruhig zurück. »Sie versuchen, den Ruf dieser Lady zu retten.«
»Das ist nicht der einzige Schock, den ich für Sie habe, Bunter. Sie haben Ihre Chance verpasst, Brillanten im Wert von achtzigtausend Dollar zu kriegen.«
Sein Gesicht blieb unbewegt.
»Erklären Sie, was das heißt«, sagte er.
»Sie wollten Hank Brian nicht, weil er Evelyn Taylor bedrohte, sondern weil er die Brillanten hatte.«
»Eine passende Schlussfolgerung«, sagte Bunter. »Hat der Pfandleiher sich etwa selbst umgebracht?«
»Nein. Brian wurde reingelegt von einem seiner Kameraden. Von einem Burschen namens Jack Spring!«
»Jack Spring!«, sagte Evelyn Taylor. Und in diesem Moment wurde mir klar, was ich eigentlich schon lange vorher gemerkt haben müsste. Als damals das Verbrechen geschah, war Evelyn Taylor die Freundin von Hank Brian gewesen, sie hatte seine Freunde gekannt, und natürlich auch Jack Spring.
»Ja, Jack Spring«, wiederholte ich. »Wissen Sie vielleicht zufällig, wo ich ihn finden kann?«
Die Wahrheit stand in ihrem Gesicht geschrieben, aber in ihren Augen war ein triumphierendes Glitzern, als sie den Kopf schüttelte. »Nein«, sagte sie. »Das kann ich Ihnen leider nicht sagen.«
Ohne mit den beiden noch ein weiteres Wort zu wechseln, verließ ich das Haus.
***
Ich ging zu dem Laster, kletterte in die Fahrerkabine und drehte die Scheibe auf meiner Seite hinunter. Ich steckte mir eine Zigarette zwischen die Lippen, zündete sie an und rauchte in langen Zügen.
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