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041 - Der Schwarze Tod

041 - Der Schwarze Tod

Titel: 041 - Der Schwarze Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: G.J. Arnaud
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entzünden. Er hat sich nie an die Zentralheizung gewöhnen können, so wenig wie an viele andere Dinge. Und wenn er an meiner Seite den Jeep besteigt, hört er nicht auf, während der ganzen Fahrt zu beten. Man könnte annehmen, daß er sich in den dreißig Jahren an all das „Teufelswerk“, wie er es nennt, hätte gewöhnen können. Aber als er in mein Leben trat, war er bereits zu sehr geprägt von seiner mittelalterlichen Kindheit.
    Während ich mir auf dem Gaskocher einen Kaffee bereite, erwärmt er einen Rest Kohlsuppe von gestern auf dem Holzfeuer.
    „Hast du den Schnee gesehen? Das wird jetzt eine Weile so weitergehen!“
    „Ja, Herr. Weihnachten wird so weiß sein wie der Mantel der Jungfrau Maria.“
    Jetzt fällt es mir kaum mehr auf, aber wenn wir in den Nachbarort oder in die Stadt fahren, so erregt Collin stets die allgemeine Aufmerksamkeit. Hauptsächlich wegen seiner Größe. Mit seinen ein Meter zwanzig ist Collin ein Zwerg.
    Ein Zwerg, dessen Wortschatz aus dem Mittelalter stammt, der sich so ausdrückt wie vor sechshundert Jahren. Und es ist noch gar nicht so lange her, daß er sich dazu überwunden hat, moderne Kleidung anzuziehen. Vor einigen Jahren noch sah er genauso aus wie das, was er tatsächlich ist: ein Entlaufener aus dem Hochmittelalter. Aber er ist ein braver Junge, und ich habe ihn sehr gern. Halb Freund, halb Diener ist er mir unentbehrlich geworden.
    Ich esse mein Butterbrot zum Kaffee, und er gießt sich einen Teller Suppe ein. Inmitten des Gemüses steckt eine große Scheibe Speck, und seine Augen glänzen voller Vorfreude. Collin ist ein starker Esser, und wenn er sich nicht zurückhält, wird er bald so breit wie hoch sein.
    „Wir werden den Hof und den Weg bis zur Straße kehren“, erklärte ich, nachdem ich mit dem Frühstück fertig bin.
    „Bei dieser Kälte wird niemand bis zu uns her kommen.“
    „Gewiß, aber man weiß nie. Außerdem tut uns die Bewegung in frischer Luft gut. Wir müssen auch ein Kaninchen schlachten und es zubereiten.“
    „Und Brot muß ich backen. Wir haben nur mehr einen Laib im Kasten.“ Er beendet sein Frühstück. „Ich werde jetzt den Backofen heizen.“
    Er wickelt sich in sein großes Schaffell, das ich ihm gekauft habe, und verläßt die Küche.
    Die alte Bäckerei befindet sich am anderen Ende des Ortes. Ein Teil des Hauses ist in den vergangenen dreißig Jahren eingestürzt, aber der Backofen ist intakt geblieben. Ich hätte das Brot auch aus der Nachbarortschaft bringen können, aber Collin findet es scheußlich und zieht es vor, sein eigenes zu backen.
    Also gehe ich ganz allein daran, den Schnee weg zukehren. Es wird immer kälter, aber es schneit trotzdem weiter. Ich arbeite mehrere Stunden lang, um die alte Straße zu erreichen, deren Asphaltbelag aus kaum mehr als seltenen Erinnerungsstückchen besteht, da und dort verstreut, zernagt vom Zahn der Zeit.
    Dann gehe ich zu Collin in die alte Bäckerei. Er knetet den Teig. Ich helfe ihm bei der Zubereitung der Laibe, und gemeinsam schieben wir sie in den Ofen. Hin und wieder machen wir eine Pause, um einen Schluck Wein aus der Ziegenhautflasche zu trinken. Dann zünde ich mir eine Zigarette an. Collin hat das Rauchen versucht, aber es unter dem bedrückenden Gefühl, einen Akt der Zauberei zu begehen, wieder aufgegeben.
    Seit dreißig Jahren ist er davon überzeugt, in einer magischen Welt zu leben und unter einem Zauber zu stehen. Er hofft immer noch, sich ihm entziehen zu können und die Seinen wiederzufinden, seinen mittelalterlichen Ort, das Leben, das er in diesen fünfzehn Jahren gelebt hat. Dieses geduldige Warten geht mir hin und wieder ein wenig auf die Nerven. Und darüber hinaus möchte auch ich selbst diesen Riß in der Zeit wiederfinden, durch den sich Collin unvorsichtigerweise eines schönen Winterabends mit all den anderen gedrängt hat.
    Einigen ist es gelungen, die Passage wiederzufinden. Sie sind aus meinem Leben verschwunden und haben Ninon mit sich gezogen, meine süße Ninon, die einzige Frau, die ich je geliebt habe und die ich immer noch liebe, jetzt, nach dreißig Jahren.
    Während das Brot im Ofen einen guten Duft verströmt, denke ich an das Dorf, wie es vor dreißig Jahren war. Niemand konnte damals ahnen, daß es nach Kurzer Zeit schon völlig verlassen sein würde. Man schrieb 1943, und unter der Besatzung hatte jeder andere Sorgen im Kopf, als sich wegen der vierzig Einwohner von Burach zu beunruhigen. Außerdem war der Ort immer schon sehr isoliert

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