0419 - Der Grusel-Star
sehr groß. Im Vergleich mit der Yacht kam er mir vor wie eine Hundehütte, die neben einem Haus steht.
»Ich helfe meinem Vater!« rief Nikos. Vielleicht war es gut so, wenn die beiden versuchten, durch geschicktes Manövrieren der Kollision zu entgehen.
Viel Hoffnung hatte ich nicht. Die beiden Gefangenen grinsten scharf. Einer redete sogar freiwillig. In seinem hart klingenden Englisch sagte er: »Wir haben euch doch gesagt, daß ihr nicht anlegen könnt. Aber ihr habt uns nicht geglaubt.«
»Was will man von uns?«
»Das werdet ihr erfahren, wenn ihr überlebt.«
»Für euch gilt das gleiche.«
Sie hoben nur die Schultern.
Suko behielt sie im Auge, während ich in das Ruderhaus lief. Es wurde eng, als noch eine dritte Person dort stand. Vater und Sohn arbeiteten gemeinsam am Ruder. Sie waren wirklich geschickt und versuchten, durch unkonventionelles Manövrieren der Havarie zu entgehen.
Aber auch dort saß ein Meister seines Fachs am Ruder. Er ließ uns keine Chance und schien jedes Manöver schon im voraus zu riechen. Dabei kam der Kahn immer näher und nahm bereits einen Großteil unseres Blickfelds ein.
Nikos verlor zwar nicht die Nerven, aber er schrie seine Wut hinaus. Ich verstand nicht, was er sagte, bis ich ihn an der Schulter packte und herumriß.
Er funkelte mich an. Auf seinen Wangen sah ich nasse Tränenspuren. »Wir müssen weg, Nikos! Auch dein Vater!«
»Er will nicht!«
»Wieso?«
»Ein Kapitän verläßt sein Schiff nicht oder höchstens als letzter der Mannschaft.«
»Sie werden uns rammen!«
»Das ist ihm egal!«
Ich ließ mir noch Sekunden Zeit, um zu überlegen, ob ich den Alten zurückhalten sollte oder nicht. Schließlich entschied ich mich dagegen. Nein, dieser Mann war einfach nicht zu belehren. Seine Opferbereitschaft steckte tief in ihm, aber den Jungen wollte ich retten, falls so etwas noch möglich war.
»Los, komm du mit!«
»Nein, ich…«
Er sah meinen Schlag nicht, so schnell hatte ich ihn ausgeführt.
Die Handkante traf genau. Er wurde nicht bewußtlos, aber schlaff.
Sein Vater hatte es bemerkt. Er nickte mir zu. »Ja, retten«, radebrechte er. »Sie retten ihn. Ich sterbe.« Bei den Worten weinte er leise vor sich hin.
Viel Zeit hatten wir nicht mehr. Ich schleifte Nikos aus dem Ruderhaus und über Deck.
Suko stand schon bereit. Er deutete auf die Yacht. »Wir müssen runter vom Kahn!«
»Klar.«
Alles weitere geschah automatisch. Wir kümmerten uns auch nicht mehr um die Gefangenen. Die Hoffnung, an Land zu schwimmen, konnten wir begraben. Viel zu weit waren wir von der Küste entfernt.
Nikos war wieder zu sich gekommen. Als ich ihn hochstemmte, wollte er plötzlich nicht mehr und wehrte sich. Ich gab ihm einen Stoß, der ihn über Bord katapultierte. Es war nicht tief. Er tauchte ein, dann sprang Suko, und ich folgte ihm in einem Hechtsprung.
Wir durchstießen wie Pfeile die grüne, wellige Oberfläche. Sofort saugten sich unsere Kleidungsstücke voll. Mit kräftigen Schwimmbewegungen stieß ich in die Tiefe und hoffte, daß Nikos ebenfalls so reagieren würde. Nur weg von dem alten Trawler, der dem Tod geweiht war.
Ich schwamm so lange unter Wasser, wie ich die Luft anhalten konnte. Erst dann drehte ich mich und schoß wieder in die Höhe.
Das Haar hing mir in die Stirn, Wasser rann in meine Augen, ich wischte es hastig weg und legte mich auf den Rücken.
Verflucht, der Kahn war noch so nah. Dahinter sah ich den Schatten der Yacht. Es wirkte so, als würden sich die beiden im nächsten Augenblick ineinander verkeilen.
Ein Stück weiter waren Suko und Nikos aufgetaucht. Der Junge schrie, er wollte nicht mehr weiterschwimmen, wurde von meinem Freund gepackt und kurzerhand mitgezogen.
Auch ich schwamm um mein Leben. Mir war klar, daß die Kollision unausweichlich war.
Es passierte, während ich tauchte.
Das Wasser leitet den Schall ausgezeichnet. Sogar in der Tiefe vernahm ich die dumpfen Geräusche, schwamm weiter, denn ich mußte aus dem lebensgefährlichen Sogbereich hinaus, der entsteht, wenn ein Schiff sinkt.
Je länger ich schwamm, um so kälter wurde mir. Ich bewegte mich jetzt mit Kraulstößen voran, drehte mich dabei manchmal auf die Seite. Ich spürte die Strömung, die mich packte und von einer Seite auf die andere schleuderte.
Weiterschwimmen, nur nicht schlapp machen.
Trotzdem mußte ich auftauchen. Der Luftmangel zwang mich dazu. Ich kam wieder hoch, riß den Mund auf, atmete tief durch und spürte in meinen Lungen das harte
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