0421 - Ein Gangster will New York beherrschen
kümmern. Wenn du willst, dass wir dir Glauben schenken, musst du dich auch entsprechend verhalten. Und es gibt nur einen Weg, deine Unschuld glaubhaft zu machen: Ergib dich! Welche Mittel das FBI hat, brauche ich dir wohl nicht zu erzählen. Wenn es jemanden gibt, der deine Geschichte überprüfen kann, dann sind wir es. Wenn du auf eigene Faust vorgehst, riskierst du nicht nur deinen Kopf, sondern auch deine Glaubwürdigkeit. Also überleg dir gut, was du tust!«
Ich war aufgesprungen, als habe mich die Erregung mitgerissen. Harper schien auch tatsächlich zu schwanken. Er ließ die Hand mit der Waffe sinken.
»Teufel, du hättest Anwalt werden sollen«, knurrte er. Aber dann riss er sich zusammen. »Du redest umsonst, Cotton. Ich habe oft genug in euren Mühlen gesteckt, um zu wissen, wie das in der Praxis aussieht. Ich…«
In diesem Augenblick hechtete ich vorwärts, erwischte seine Waffe und schlug sie ihm aus der Hand. Sie polterte zu Boden.
Harper reagierte unglaublich schnell. Er wich der Bewegung aus, packte einen Hocker und schleuderte ihn in meine Richtung. Im nächsten Augenblick war er an der Tür und draußen. Als ich den Flur erreichte, war er schon am Ende des Ganges.
Ich setzte zu einem Spurt an. Aber schon nach drei Schritten prallte ich mit einer Gestalt zusammen, die aus der Nachbartür kam.
»Bruder Cotton«, quäkte eine Stimme, »diese Unrast trägt das Kainszeichen des Bösen…«
Es war Jerome Davis, mein neuer Nachbar. Er hatte vor vierzehn Tagen das Apartment neben mir bezogen. Er war ein langer, ziegenbärtiger Mann mit der öligen Beredsamkeit eines Staubsaugervertreters. Davis sollte der Führer einer obskuren Sekte mit dem Namen Die Gerechten der letzten hundert Tage sein. Seit er eingezogen war, stopfte er regelmäßig und pfundweise Werbebroschüren in die Briefkästen.
Ich schob ihn zur Seite und lief weiter. Aber der kurze Aufenthalt hatte Harper genügt, seinen Vorsprung zu vergrößern. Er hatte das Fenster am Ende des Ganges erreicht und sich nach draußen geschwungen. Als ich die Stelle erreichte und mich hinausbeugte, war er schon tief unter mir und hangelte an der Feuerleiter nach unten. Mit affenartiger Geschicklichkeit hielt er die eisernen Holme umklammert und rutschte große Strecken einfach abwärts.
Ich griff nach der Waffe, aber ich ließ sie dann doch stecken.
Lee Harper erreichte inzwischen den Hof. Ich sah seinen Schatten auf dem Weg zur Ausfahrt. Sekunden später heulte ein Automotor auf.
Er war entkommen.
Ich wandte mich um. Hinter mir stand Jerome Davis. Sein ganzes Wesen war flammende Empörung.
Ich beachtete ihn nicht, sondern ging in meine Wohnung zurück und bediente das Telefon. Ich benachrichtigte meinen Freund Phil Decker.
***
Phil kam eine Viertelstunde später.
Während ich öffnete, hörte ich auf dem Gang das wohlbekannte Organ von Bruder Davis.
»Komischer Zeitgenosse«, sagte Phil. »Was hast du neuerdings für Nachbarn?«
»Er ist der Anführer der Gerechten der letzten hundert Tage,«
»So sieht er auch aus. Er wollte mich überreden Mitglied zu werden. Fünfzig Dollar im Monat. Der Bursche muss verrückt sein. Dass der Hausbesitzer so etwas zulässt.«
»Nun, er hat Geld. Unten in der Garage steht sein Lincoln, und sein Dinner pflegt er im Stork Klub einzunehmen. Da sieht man über manches hinweg!«
»Da sieht man’s wieder, wie manche Leute zu Wohlstand kommen. Und wo bleiben wir?«
»Immer die Kleinen trifft’s«, lächelte ich.
»Na, mir soll es recht sein. Hauptsache, dies Land bleibt ein freies Land.« Er ließ sich in einen Sessel fallen. »Was ist das für eine wilde Geschichte, die du auf Lager hast?«
Ich fasste mich kurz und beschrieb ihm Lee Harpers Besuch.
Er schob die Brauen in die Höhe.
»Und welchen Eindruck hast du von der Geschichte?«
»Schwer zu sagen. Sie klingt so verrückt, dass sie schon wieder wahr sein könnte.«
»Aber warum ging er gerade zu dir? Du bearbeitest doch den Fall überhaupt nicht.«
»Vielleicht gerade deswegen. Er war versessen darauf, seine Story einem neutralen Bullen mitzuteilen. Vielleicht verspricht er sich davon mehr Objektivität.«
Phil schüttelte den Kopf.
»Verrückt. Das Material gegen Lee Harper ist so erdrückend, dass er nur noch ein Fall für die Fahndungsabteilung ist.«
»Das habe ich ihm auch gesagt.«
»Wollte er etwas Bestimmtes von dir?«
»Er wollte nur, dass ich ihm glaube. Ich sagte ihm zwar, dass es auf das, was ich glaube, nicht ankomme, aber
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