0421 - Ein Gangster will New York beherrschen
hinüber. Sie warf nur einen kurzen Blick darauf und ließ dann die Waffe sinken.
»Das… das konnte ich nicht ahnen. Tut mir leid, Agent Cotton. Bitte entschuldigen Sie mein Verhalten. Ich dachte, Sie wären…«
»Wer?«
Sie schwieg einen Augenblick. Dann fragte sie leise: »Sagen Sie mir doch, was ist mit Lee? Er wollte sich mit Ihnen treffen!«
»Das also wissen Sie!«
»Das und noch mehr. Ist ihm etwas passiert?«
»Nun, Miss…«
»De Mille, Laurie de Mille!«
»Ja, Miss de Mille, wenn Lee Harper Ihnen nahe stand, wird das, was ich Ihnen zu sagen habe, für Sie sehr schmerzlich sein!«:
Ihre Pupillen weiteten sich.
»Er ist tot!«, flüsterte sie.
»Ja«, sagte ich. »Ermordet!«
Ein paar Atemzüge schwieg sie. Dann sagte sie tonlos: »Ich ahnte so etwas und er wohl auch. Er war seltsam schwermütig, ehe er ging, fast, als hätte er es gewusst, und jetzt ist es passiert. Schrecklich, der arme Lee!«
»Miss de Mille, Sie wissen jetzt, warum ich hierhergekommen bin. Sie würden mir sehr helfen, wenn Sie mir ein paar Fragen beantworten könnten.«
»Fragen Sie!«
»Wie lange kannten Sie Lee Harper?«
»Seit einer Woche.«
»So kurze Zeit erst?«
»Ja, ich weiß, es klingt seltsam, aber mir ist, als kannte ich ihn schon seit Jahren. Dabei ist es merkwürdig, er war kein schöner Mann, er hatte fast kein Geld, er war auch nicht besonders anziehend, und er hatte sicher auch keinen besonders guten Charakter. Er gehörte nicht zu der Sorte, die sich besonders durchsetzt, die sich an die Spitze boxt. Nichts an ihm war überragend, und trotzdem mochte ich ihn.«
»Wo lernten Sie ihn kennen?«
»Im Fremont Adonis Klub. Ich arbeite dort als Sängerin!«
Ich hatte eine ungefähre Vorstellung, wo das Nachtlokal lag. Dort gewesen war ich noch nie.
»Lee«, sagte sie leise, »erschien eines Abends bei uns im Klub. Er setzte sich allein an einen Tisch. Aus irgendeinem Grund fiel er mir auf. Er wirkte so allein, mehr noch, er hatte Angst. Ich setzte mich zu ihm, und wir kamen ins Gespräch. Es war nicht viel, was er sagte, aber ich merkte, dass er seelisch unter Druck stand. Er erzählte mir viel aus seinem Leben, nicht, um bei mir Eindruck zu machen. Das wurde mir rasch klar. Er erzählte es, weil er Hilfe brauchte. Vielleicht ist das der Grund, dass ich mich um ihn kümmerte. Die Männer, die in den Fremont Klub kommen, brauchen sonst eine ganz andere Art von Hilfe.«
»Und dann?«, fragte ich.
»Irgendwann sagte er einmal, dass sein Leben davon abhinge, dass er einen bestimmten Mann fände. Mehr sagte er nicht, und ich hütete mich, in ihn zu dringen. Zugleich schien er auf der Flucht zu sein.«
»Vor uns«, sagte ich.
»Das dachte ich mir schon. Ich erfuhr von ihm, dass er nicht in seine Wohnung zurückkonnte, und ich brachte ihn in dieses Hotel. Ich wohne schon ein paar Monate hier.«
Ich überlegte einen Augenblick.
»Dieser Abend, an dem Sie Harper kennenlernten, war es das erste Mal, dass er in den Fremont Adonis Klub gekommen war?«
»O nein, er war mir schon die Tage vorher aufgefallen. Er kam stets um dieselbe Zeit, kurz vor elf, und er setzte sich an einen Ecktisch. Das Programm schien ihn nicht zu interessieren. Er saß nur da, fast, als warte er auf etwas.«
»War er immer allein?«
»Ja.«
»Sprach er mit irgendjemandem?«
»Nur mit mir.«
Ich erhob mich.
»Miss de Mille, Lee Harper wurde ermordet. Wir haben guten Grund zu der Annahme, dass sein Mörder einer der gefährlichsten und skrupellosesten Verbrecher unserer Zeit ist. Bitte versuchen Sie, sich an jede Kleinigkeit zu erinnern. Das geringste Detail kann wichtig sein.«
Sie überlegte einen Augenblick.
»Ich glaube, ich habe Ihnen alles gesagt. Wenn Lee mir nur mehr erzählt hätte. Aber er war so verschlossen, was diese Dinge anging. Nur heute Abend, da war er sehr aufgeregt. Er war ziemlich lange weg zum Telefonieren, und dann sagte er, er würde sich mit Ihnen treffen. Er nannte sogar Ihren Namen, Agent Cotton. Er sagte, endlich habe er den Mann gefunden, den er suche, und jetzt werde er endlich wieder frei. Und dann ging er.«
Ihre Stimme klang leer.
Ich konnte ihr nicht helfen. Ich bedankte mich und ging, nachdem ich mir ihren Waffenschein hatte zeigen lassen.
***
Es war fast 3 Uhr morgens, als ich die Eingangshalle des FBI-Gebäudes in der 69. Straße betrat. Der Portier saß in seinem Glaskasten und studierte den Daily Herald. Ich klopfte mit dem Knöchel gegen die Seheibe.
»Ist Phil schon zurück?«
Er sah
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