0422 - Der Kopfjäger von Manhattan
Blancher erstarrte. Er drückte sich eng an die Wand und lauschte. Von nebenan war kein Geräusch zu hören.
Blancher wußte genau, daß er das Licht in seinem Büro nicht hatte brennen lassen, als er gegangen war. Langsam fuhr seine rechte Hand in die Höhe und glitt in den Mantelausschnitt. Gleich darauf kam sie mit einer 38er Smith & Wesson wieder zum Vorschein.
Auf Zehenspitzen tappte Blancher auf die Verbindungstür zu. Noch einmal lauschte er angestrengt. Aber es blieb alles still.
Mit einem Ruck riß er die Tür auf, sprang über die Schwelle und hob die Pistole.
Der Mann, der in dem Drehstuhl vor dem Schreibtisch saß, gab sich einen leichten Stoß, so daß der Stuhl herumschwang. Es war Rockysi Adams. Sein Gesicht zeigte einen seltsam gespannten Ausdruck.
»Danny«, sagte er leise. »Danny. Sieh mal an. Ich dachte mir doch, daß dich die Polizei erst einmal laufen lassen würde.«
»Woher, weißt du, daß ich bei der Polizei war?«
»Du hast ihnen doch Carl Wellers auf einem silbernen Tablett serviert. Tot, damit er nichts mehr sagen kann.«
»Woher weißt du das mit Wellers?«
»Weil ich da war!«
»Wo?«
»In Wellers Wohnung.«
Danny Blancher riß sprachlos den Mund auf. Er schluckte zweimal, zog scharf die Luft ein und stotterte endlich: »Du — du warst in Wellers Wohnung? Ja, zum Teufel, wann denn?«
»Vor anderthalb Stunden ungefähr, schätze ich.«
»Aber da waren doch die Cops da!«
»Na und? Ich wollte mich vergewissern, wen es erwischt hätte. Da habe ich vor dem Hause ein bißchen herumgefragt. Natürlich fiel das einem übereifrigen Cop auf. Er schleppte mich gleich hinauf in die Wohnung und sah sich meinen Führerschein an.«
Danny Blancher verdrehte die Augen. »Himmel, bist du denn verrückt geworden, Rocky? Du wagst dich in die Höhle des Löwen? Du rennst in die Wohnung, während es dort von Kriminalern wimmelt?«
Rocky Adams lächelte angeberisch. »Wie du siehst, hat es mir nicht geschadet. Aber ich wollte mich an Ort und Stelle davon überzeugen, was geschehen war.«
»Wieso haben dich die Cops gleich wieder laufen lassen?«
»Was hätten sie denn tun sollen, he? Vor dem Hause standen Hunderte von Neugierigen. Wieso sollte es da ausgerechnet mir verboten sein, auch neugierig zu werden und ein paar Fragen zu stellen? Jeder wollte wissen, was in dem Hause passiert wäre. Also durfte ich doch auch mal fragen, nicht? Sie mußten mich selbstverständlich laufen lassen, als ich ihnen das erzählt hatte. Gegen mich liegt nichts vor, mein Junge. Gar nichts. Aber wenn du so weitermachst, ist dein Kopf bald keinen Cent mehr wert.«
Danny steckte sich eine Zigarette an. Durch den ersten Rauch schielte er hinüber zu Rocky Adams.
»Wie meinst du das?«
Adams tippte mit dem Zeigefinger gegen seine Stirn.
»Ich habe ein bißchen nachgedacht, mein Lieber. Du kannst Wellers nur gesehen haben, wenn du mir heimlich gefolgt bist. Aber selbst dann hattest du keinen Grund, ihn umzulegen. Welchen Grund kannst du gehabt haben, Danny? Ich sehe nur einen: dich locken die ausgeschriebenen dreitausend Dollar der Belohnung. Habe ich recht?« Blancher zuckte mit den Achseln. »Und wenn es so wäre?«
Rocky Adams rieb sich übers Kinn. »Im Westen gab es mal Zeiten, da lebten Leute davon, von der Polizei Gesuchte einzufangen und die Belohnung zu kassieren. Prämienjäger nannte man diese Leute, glaube ich. Vielleicht hätte man sie Kopfjäger nennen sollen.«
»Was soll der Quatsch?«
»Du wirst nicht alt, wenn du so weitermachst. Du erinnerst mich immer mehr an einen reißenden Wolf. Aber selbst ein Wolf greift nur an, wenn er hungrig ist. Du aber kennst kein Maß. Das nimmt kein gutes Ende. Ich gebe dir einen guten Rat. Erledige die Sache mit Sniff Gayton. Dafür bist du schon zur Hälfte bezahlt. Und dann sei friedlich und halte dich in den nächsten Monaten aus allem ‘raus,«
»Ich brauche deine Ratschläge nicht.«
»Du wirst dich noch wundern, was du alles brauchst.«
Rocky Adams stand auf und ging zur Tür. Auf der Schwelle blieb er noch einmal stehen.
»Du warst verdammt voreilig, Danny.«
»Wann?«
»Vorhin. Mit Carl Wellers. Was weißt du von dem eigentlich?«
Blancher grinste. »Ich weiß, daß das FBI ihn sucht, und daß es dreitausend Bucks gibt, wenn man ihn der Polizei in die Hände spielt. Das habe ich getan. Daß er tot ist, war nicht meine Schuld. Niemand ist verpflichtet, sich von einem gesuchten Gangster erschießen zu lassen.«
»Mehr weißt du nicht von
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