0424 - Der Drachen-Clan
doch vorher noch befragen konnte.«
»Wahrscheinlich würde er eher sterben, als dir etwas zu verraten«, sagte Yo Yina, die die Auffassungen ihrer Landsleute nur zu gut kannte.
Um diese Morgenstunde gab es noch kein Frühstück. Nicht einmal eine Tasse Tee. Aber Ted fühlte sich ebensowenig hungrig wie Lo Yina, als sie schließlich im Geländewagen saßen und losfuhren.
»Was ist, wenn die Zeremonie länger dauert?« fragte sie. »Immerhin muß ich eine Stunde vor Abflug am Airport sein, und ich muß erst noch ins Hotel und meine Sachen zusammenpacken… das geht schnell, aber wir werden noch vor acht Uhr umkehren müssen, sonst bleiben wir im Frühverkehr zu lange stecken…«
Ted nickte.
Er jagte den Toyota durch die um diese Morgenstunde kaum belebten Straßen. Noch war kein Streifen am Himmel zu sehen, der die Morgendämmerung ankündigte. Dennoch fuhr er so schnell, wie es eben zulässig und möglich war. Je früher er eine geeignete Beobachtungsposition erreichte, desto besser war es.
Er fühlte sich jetzt wieder einigermaßen fit; vorhin im Hotel, während Lo Yina sich zurechtmachte, hatte er seine Kräfte mit einem konzentrierten Fünf-Minuten-Schlaf erneuert, der ihm mehr geholfen hatte als die zwei Stunden vorher. Aber er konnte nicht genau sagen, wie lange diese erneuerten Kräfte Vorhalten würden. Irgendwann forderte der Körper sein Recht, und dann mußte der Zusammenbruch kommen. Immerhin hatte er ja auch in der Nacht davor nur relativ wenig Schlaf gefunden.
»Es wird nicht so lange dauern«, sagte er. »Wir werden genug Zeit haben. Denn wenn dieses Ritual tatsächlich heute stattfinden sollte, werde ich es recht schnell zu einem für die Teilnehmer überraschenden Ende bringen.«
»Aber wie?« stieß sie hervor. »Wir zwei allein schaffen das doch niemals. Die anderen sind so viele… laß uns von der nächsten Telefonzelle aus die Polizei anrufen. Der Superintendent…«
»Wird noch schlafen«, sagte Ted. Er spürte, wie sich allmählich etwas in ihm zu verhärten begann. Der Drache… Die Bruderschaft des Drachen heute und der Drachen-Dämon damals, der sich als Mensch getarnt hatte und Eva Groote tötete… »Ich schaffe es auch so - damals wie heute. Hiermit.« Er hieb auf die Jackentasche, in der sein Dhyarra-Kristall steckte.
Der Machtkristall des ERHABENEN DER DYNASTIE DER EWIGEN.
Damit ließ sich eine Welt aus den Angeln heben, wenn Ted seine Macht voll ausspielte. Zwar signalisierte er damit dann den Ewigen, daß da jemand aktiv geworden sein mußte, der über einen Machtkristall verfügte, aber das war ihm in diesem Augenblick gleichgültig geworden. Dhyarra-Kristalle ließen sich von anderen Sternensteinen anpeilen, wenn sie eingesetzt wurden. Es gab etliche schwache und wenige starke Kristalle. Auf die starken würde man aufmerksam werden, wenn ihre Energie voll ausgespielt wurde. Das, was Ted bisher damit getan hatte, war wenig gewesen. Zamorra mit seinem Kristall 3. Ordnung hätte das vielleicht auch gekonnt. Darauf würde kaum ein Ewiger reagieren. Aber wenn die frei werdenden Kräfte stärker wurden…
Es war ihm egal. Er wollte den Drachen töten. Um jeden Preis. Und der Dhyarra-Kristall 13. Ordnung gab ihm die Macht dazu.
»Aber… vielleicht schaffst du es nicht. Oder es ergibt sich keine Gelegenheit. Was dann, Teodore?« fragte Lo Yina wieder.
»Was wäre, wenn, vielleicht, aber… Du stellst zu viele Fragen, die ich nicht beantworten kann und will«, sagte er. »Um dich zu beruhigen: Du wirst in dem Falle den Wagen nehmen und zurückfahren, verstehst du?«
»Und du?«
»Ich komme zu Fuß nach.« Er lachte eine Spur zu falsch auf. »Keine Sorge, ich bin lange Fußmärsche gewohnt, auch wenn ich lieber Mercedes und Rolls-Royce fahre.« Er hieb auf den Lenkradkranz. »Und eine Runde mit einem Miet-Rolls drehe ich noch durch Hongkong, wenn dieses Abenteuer vorbei ist und ich kein geländegängiges Fahrzeug mehr brauche… habe die Kisten zu lange nicht mehr gefahren…«
»Du, als Reporter?« Sie sah ihn verwundert an. »Weißt du, was so ein Wagen kostet? Auch wenn du ihn nur mietest?«
»Ich besaß einmal einen«, sagte er und konzentrierte sich wieder auf die Straße. Sie verließen Kowloon und steuerten in die New Territories hinaus. Irgendwo dort draußen wartete der Drache auf sein Opfer.
***
Am vorigen Abend hatte Ted sich die Gegend sehr genau eingeprägt. Speziell aus der Höhe hatte er einen recht guten Überblick gehabt. Deshalb wußte er jetzt, wo er
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