0426 - Tod im Alligator-Sumpf
»Ah, Alligatoren, wie? Auch da kann ich Ihnen helfen. Ich habe eine Menge Erfahrung mit den Biestern. Sie brauchen ein gutes Gewehr mit großem Kaliber dafür, und…«
Das Sonnenlicht fiel auf die Stirnnarbe.
»Hol mich der Teufel«, entfuhr es dem Mann. »Das sieht ja aus wie ’ne Schußwunde! Vernarbt zwar, aber… wie sind Sie denn daran gekommen? Mit so was lebt man doch nicht mehr.«
»Ein Schurke namens Bill Fleming jagte mir einmal eine Silberkugel in die Stirn«, sagte der Dunkle düster. »Leider kann ich ihn nicht mehr dafür zur Rechenschaft ziehen, denn er starb auf andere Weise. Aber du bist zu neugierig, mein Bester. Solche wie dich holt der Teufel tatsächlich gern. -Wenn ich auch nicht weiß, was ich momentan mit dir anfangen sollte«, fügte er murmelnd hinzu.
Der Cajun nagte an seiner Unterlippe. »Sie sollten mir nicht drohen, Sir«, sagte er. »Wie gesagt, wenn Sie ein Boot mieten möchten…«
»Eines fehlt hier«, sagte der Dunkle.
»Ja. Wurde gestern abend geklaut. Renoir und Tosh haben sich darum gestritten, und da sprang ein Nigger ’rein und dampfte damit ab.«
»Aufwärts?«
»Ja, Sir, aber wieso interessiert…«
Etwas Unbegreifliches packte den Cajun und versetzte ihn um einige Meter. Er schrie auf und stürzte. Als er wieder aufblickte, sah er den Dunkelgekleideten aufrecht in einem der Boote stehen, das lautlos, ohne Motorkraft und mit erheblicher Geschwindigkeit nordwärts lief. Fassungslos sah er dem Mann hinterher.
Dann warf er einen Blick auf den Cadillac.
Der war fort.
Fortan glaubte der Cajun an Gespenster und den Gehörnten selbst.
...nicht ganz zu Unrecht…
***
Der Motor des Jeep Cherokee war nicht zu hören. Dafür die Windgeräusche um so deutlicher, die durch die Kastenform des großen Geländewagens entstanden. »Ein Königreich für einen Cadillac oder einen BMW«, murmelte Zamorra schicksalsergeben. Immerhin sprach der große Motor auf jedes Antippen des Gaspedals sauber an, wie es sich für eine Maschine dieser Klasse gehörte, und das Lenkrad lag ihm leicht in den Händen. Im Norden der Stadt hatten sie über eine große Brücke den breiten, schmutzigen Mississippi überquert, der trotz der gestrigen, gewaltigen Regenfluten immer noch Niedrigwasser führte und die Frachtschiffahrt gefährdete; immerhin waren zwei nostalgische Raddampfer unterwegs, um Touristen den Eindruck niedagewesener Südstaatenromantik vorzuzaubern.
Auf einem vierspurig ausgebauten Highway, der trotzdem dank fehlender Leitplanken und einem fast dreißig Meter breiten Grünstreifen zwischen den beiden Fahrtrichtungen nur wenig Ähnlichkeit mit europäischen Autobahnen hatte, schwammen sie im Vormittagsverkehr westwärts, zwischen Straßenkreuzern, Kombis und den gewaltigen Trucks mit ihren farbenprächtigen Bemalungen. Erwinville, Valverda, Krotzsprings, Barre, Cortableau - das waren die Ortsnamen, die auf sie warteten und an die bewegte Vergangenheit Louisianas erinnerten und an den Tanz des Staates zwischen spanischen, französischen und britischen Machthabern. Unwillkürlich mußte Zamorra lächeln; er besaß spanische Vorfahren, einen französischen und einen US-Paß - und einen britischen Sonderausweis des Innenministeriums. Somit paßte er gar nicht schlecht in diesen Landstrich.
Je weiter sie sich von der Hauptstadt Baton Rouge entfernten, desto schwächer und angenehmer wurde der Verkehr und um so dreister die Moskitos.
Es blieb ihnen nichts anderes übrig, als die Fenster hochzukurbeln und die Klimaanlage einzuschalten, wenn sie die blutsaugenden Biester nicht schwarmweise per Fahrtwind ins Wageninnere saugen wollten. Zamorra seufzte. »Mit einem Cabrio hätten wir es einfacher - da würde der Wind sie einfach über uns wegwirbeln, statt sie von innen an der Heckscheibe zu stoppen.«
Nicole hüstelte.
»Ja, ich weiß«, murrte Zamorra. »Als wir vor ein paar Tagen ankamen, wolltest du ein Cabrio haben, und ich hätte lieber eine klimatisierte Limousine gehabt… aber da hast du deinen Kopf durchgesetzt. Warum nicht jetzt wieder?«
Sie zeigte auf die Geländegangschaltung des Wagens. »Deshalb«, sagte sie trocken.
Zamorra konnte jetzt zügiger fahren und die Geschwindigkeit aufs erlaubte Höchstmaß erhöhen. Nach etwa zwei Stunden befanden sie sich bereits zwischen Cortableau und der etwas größeren Stadt Opelousas. »Danach wird der Highway zweispurig«, informierte Nicole, die die Straßenkarte studiert hatte.
»Und wie weit müssen wir überhaupt noch
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